Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
Seattle, 1942: Der 12-jährige Henry bekommt jenseits der Fronten Europas in Amerika dennoch die Auswirkungen des Kriegs zu spüren. Während sein chinesischer Vater zu Hause gegen die Japaner wettert, freundet er sich in der Schule mit dem japanischen Mädchen Keiko an. Natürlich bedarf diese Freundschaft strenger Geheimhaltung und auch ohne die Hasstiraden seines Vaters merkt der Junge, wie schwer die Japaner es im alltäglichen Leben der Stadt haben. Diskriminierung ist an der Tagesordnung und schließlich kommt es zu so genannten Evakuierungen der japanischen Bürger, ein Deckmantel unter dem sich Verschleppungen in Internierungslager verbergen. Plötzlich ist auch Keikos Stadtteil von den Durchsuchungen betroffen und sie und Henry verlieren sich in diesen Wirren des Krieges aus den Augen!
Die Protagonisten des tiefer in der Vergangenheit stattfindenden Teils dieses Buches sind Kinder, zwar am Rande der Pubertät, doch die Freundschaft, die Keiko und Henry verbindet, ist mehr durch unschuldige Zuneigung gekennzeichnet anstatt durch auf Attraktion basierender Liebesgefühle. Im zweiten Handlungsstrang, 1986 in der gleichen Stadt, lässt der mittlerweile erwachsene, verwitwete Henry die Ereignisse der Vergangenheit Revue passieren und versucht sich seinem Sohn gegenüber zu öffnen und über Keiko und das Panama-Hotel, das eines der zentralen Elemente seines Lebens ausmacht, zu reden.
Die historischen Ereignisse rund um Internierung und Diskriminierung, Plünderung und Gefangenschaft bieten den Rahmen für die eigentliche Handlung, die – so wird für das Buch geworben – auf einer wahren Begebenheit basiert. In den Anmerkungen des Autors am Ende des Romans lässt sich dann auch vernehmen, dass das Panama-Hotel in Seattle wirklich existiert und dort zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs tatsächlich das Hab und Gut vieler zur Evakuierung gezwungener japanischer Familien untergebracht wurde. Lediglich die um den Jazz-Musiker Oscar Holden beschriebenen Umstände entsprechen zumindest nach Angaben Jamie Fords nicht durchgängig der Wahrheit. Er möchte nach eigenen Aussagen mit dem Buch keine Anklage erheben gegen die Zustände, sondern vielmehr die Nachricht, für die Keiko und Henry Symbol werden, übermitteln: Zuallererst sind wir nicht Japaner, Chinesen oder Deutsche – wir sind Menschen und in dieser Eigenschaft alle einander gleich. Diese Erkenntnis erlangen in Jamie Fords Buch die Kinder vor ihren Eltern, die in festgefahrenen Strukturen und Rollenmustern verhaftet bleiben.
Die Geschichte ist simpel gestrickt, überrascht nur selten mit Wendungen, die man nicht erwarten würde, bleibt dabei aber zielstrebig – ja, berührt am Ende sogar! Der Stoff ist in genau der passende Länge ausgearbeitet, keine Seite zu kurz und keine zu lang. Henry, Keiko und ihre Eltern sind als Figuren fast zu glatt, zu vorhersehbar und gewinnen nicht recht an Format. Die Verbindung zwischen historischen Wissen – das hier keinesfalls im Vordergrund steht – und der eigentlichen Handlung gelingt allerdings und wird, bedingt durch das Alter des Protagonisten, mit kindlichen, aber keinesfalls naivem Blick geschildert. Der kleine Junge durchblickt letztlich Vieles eher als die Erwachsenen.
»Keiko« ist im Strom der aktuellen Literatur nicht überragend, dennoch nett zu lesen.
Jamie Ford: Keiko.
Berlin Verlag, Februar 2009.
384 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,90 Euro.