Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
Suzanne Collins: Die Tribute von Panem 01. Tödliche Spiele
Die 16-jährige Katniss sorgt seit dem Tod ihres Vaters für die jüngere Schwester und die Mutter. Im Land Panem lebt sie im zwölften Distrikt, dem Abschnitt des Landes mit dem schlechtesten Ruf. Hier ist Hunger an der Tagesordnung. Um an in der Vergangenheit liegende Aufstände zu erinnern, hat die Regierung die Hungerspiele ins Leben gerufen, bei denen schon seit über 70 Jahren Kinder der einzelnen Distrikte in einem Kampf ums nackte Überleben gegeneinander antreten müssen. Per Zufall werden pro Distrikt je zwei, ein Mädchen und ein Junge im Alter von maximal 18 Jahren, ausgewählt. In diesem Jahr trifft es Katniss’ kleine Schwester Prim, die nicht die geringste Chance in dem tödlichen Spiel hätte. Katniss nimmt allen Mut zusammen und tritt an die Stelle ihrer Schwester. Zusammen mit Peeta, einem Jungen aus ihrem Distrikt, den sie nur wenig kennt, wird sie zum diesjährigen Tribut ernannt und fährt ins Trainingslager, um sich auf das Spiel vorzubreiten, das bestenfalls einer der beiden überleben wird.
Mit treffenden, direkten Worten entwirft die amerikanische Autorin Suzanne Collins in diesem Buch die utopische Gesellschaft des Landes Panem, dem Ort ihrer neuen Trilogie. Unterteilt in die 12 Distrikte wird es vom Kapitol regiert, das der Bevölkerung seit 74 Jahren die Hungerspiele aufdrängt. Die Menschen sehen sich gezwungen, diese anzuschauen und zu billigen. Protest oder Widerstand könnten schlimme Folgen für sie und ihre Angehörigen nach sich ziehen.
Die Individuen werden – das wird im Text mehr als deutlich – Spielfiguren im System, ihr Schicksal dadurch mehr als schockierend. Katniss tritt an die Stelle ihrer Schwester, die mit ihren zwölf Jahren und der schwächlichen Figur, die sie bedingt durch die schlechte Ernährung im 12. Distrikt hat, nie und nimmer hätte überleben können. In dem in drei Teile untergliederten Auftakt der neuen Trilogie folgt man als Leser Katniss bei ihren Erfahrungen vor und während der Hungerspiele. Das Mädchen entwickelt sich über die Seiten hinweg zu einer Hauptfigur, die nur mit wenigen Worten und Taten ihre Zuhörer ungemein berührt. Was muss das für ein Gefühl sein, fragt man sich ständig, in ihrer Lage zu stecken? Und was bringt die Kinder, die die Teilnehmer der Hungerspiele nun mal sind, zu solchen Gräueltaten, ja sogar zum Morden? Bei den Spielen geht es ums nackte Überleben der Tribute, aber auch ihrer Verwandten, die bei Fehlverhalten bestraft werden können, bei Gewinn in anhaltendem Reichtum schwelgen.
Das Augenmerk des Romans liegt nicht auf den Morden der Kinder – das wird eher knapp und wenig ausschweifend beschrieben –, sondern auf den Effekten, die diese auf die ‚Mitspieler’ im Rahmen der Hungerspiele haben. Der psychologische Aspekt kommt in der Figur des jungen Mädchens Katniss bestens zum Tragen. Bereits vor Beginn der Spiele bricht ein Kampf in ihrem Inneren los, weiß sie doch, dass im Idealfall nur Peeta oder sie überleben kann – wahrscheinlicher ist es, dass sie beide nicht lebend nach Hause zurückkehren werden. Dass die beiden Jugendlichen von ihrem Trainer, dem einzigen Teilnehmer, der aus ihrem Distrikt jemals die Spiele gewinnen konnte, eingebläut bekommen nach außen hin den Schein der Freundlichkeit und Kameradschaft zu wahren, erschwert ihr die Situation zusätzlich. Und dann – hier liegt eines der Highlights der ersten Hälfte – gesteht Peeta bei seinem Interview, kurz bevor sie die Arena betreten, auch noch, dass er bereits seit Jahren in Katniss verliebt sei. Alles nur Show, um ihre Chancen auf Geldgeber zu heben? Oder steckt doch ein Funke Wahrheit in seinen Worten?
Durchweg bleibt man als Leser an der Seite von Katniss, die die Geschehnisse mit ihren Worten umschreibt. Ein Wechsel zu Peeta hätte an der einen oder anderen Stelle sicher noch für Abwechslung gesorgt.
Am Ende bleibt genügend Zündstoff für die Fortsetzung, ja man hat das Gefühl, dass Katniss’ Kampf mit der letzten Zeile erst richtig beginnt!
Eines der fesselndsten Jugendbücher dieses Jahres! Und dabei eignet dieser Roman sich nicht nur für die Zielgruppe der mindestens 14-Jährigen, sondern er schafft es, seine Leser weit über dieses Alter hinaus zu packen.
Suzanne Collins: Die Tribute von Panem 01. Tödliche Spiele.
Oetinger, Juli 2009.
414 Seiten, Gebundene Ausgabe, 17,90 Euro.