Unsere Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print bietet die neun besten Geschichten eines jeden Quartals aus unserem Mitmachprojekt. Dazu Kolumnen, Infos, Reportagen und ...
Nordamerika, 1723: Mit 17 Jahren verlässt Mary die schützenden Mauern des Waisenhauses, das ihr ganzes Leben über ihr Zufluchtsort war. Die Welt eröffnet ihr ungeahnte Möglichkeiten und in einem Fischerdorf findet sie eine Anstellung beim örtlichen Pastor. Des Nachts plagen sie seit längerem seltsame Träume und plötzlich steht sie vor dem Baum, der immer wieder in diesen Träumen auftaucht. Es gibt ihn wirklich! Mary lässt dort ein Haus erbauen, in das sie ziehen will. Doch dazu soll es nie mehr kommen … es ist kaum fertig gestellt, da kündigt sich die Inquisition an, um das Dorf von der Zauberei zu befreien. Nur wegen einer Person drängt es die Hexenjäger dorthin: Mary! Auf ungewöhnlichem Wege erfährt sie vom Erbe ihrer Mutter, der Angehörigen eines großen Hexengeschlechtes …
Die Idee ist zwar nicht neu, weist aber dennoch Potential auf. Amerika im 18. Jahrhundert, aber nicht ganz so, wie es nicht in den Geschichtsbüchern zu finden ist. Ein Imperator herrscht über das Land, Drachen leben dort ebenfalls und werden gnadenlos verfolgt. Mittendrin das gerade erwachsene Waisenmädchen, das ohne sein Wissen teil einer großen Prophezeiung ist. Dieses Buch muss nicht von Grund auf schlecht sein …
Dem französischen Autor gelingen jedoch viele Züge seiner Geschichte nicht: Zum einen bleiben die Figuren blass, selbst die Protagonistin. Jede Wendung der Handlung nimmt sie teilnahmslos hin, sei es die Offenbarung, dass sie eine gesuchte Hexe ist, oder dass ihre Freunde sich in größter Gefahr befinden – Mary zeigt keinen Anschein einer Regung. Sie handelt selten nachvollziehbar. Die übrigen Beteiligten neigen dazu, von der Bildfläche zu verschwinden, um dann etliche Seiten später wieder aus dem Nichts aufzutauchen. Der historische Kontext versagt ebenfalls, der Versuch Rassenthematiken der schwarzen Sklaven mit Hexenverfolgung und Drachen zu verbinden, überlädt die Themenkomplexe des Buches völlig.
Für gelungene Abwechslung sorgt hingegen das Tagebuch von Marys Großmutter, in dem sie die Ereignisse für ihre Tochter Sarah und die nachfolgende Generation festgehalten hat. Einer der wenigen Lichtblicke im Buch.
Auch sprachlich kann dieser Roman nicht überzeugen, eine Vielzahl der Sätze wirkt abgehackt und unvollendet. Bei kritischen, handlungsreichen Szenen – etwa Kämpfen –rutschen die Formulierungen in einen derb maskulinen Ton ab, der nicht zur üblichen Betrachtungsweise des Mädchens passen, das seine Umgebung mit Gleichgültigkeit hinnimmt.
Nette Idee, nicht empfehlenswert umgesetzt. Aus diesem Stoff hätte der Autor einiges mehr herausholen können!
Fabrice Colin: Mary Wickford.
Heyne, Juli 2009.
720 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,00 Euro.