Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
Seit tausend Jahren regiert der unsterbliche Lord Ruler eine Welt, die größtenteils aus Schutt und Asche besteht. Die Skaa gehören der Arbeiterklasse an und müssen Tag ein, Tag aus für ihn in den Werken schuften, führen sonst aber nur das Leben von unliebsamen Tieren, die man besser von der prunkvollen Stadt fernhält. Eine tiefe Schlucht klafft zwischen Arm und Reich, die junge Frau Vin steht leider auf der falschen Seite. Als Bastard eines Adeligen mit einer Skaa hat sie es zusätzlich schwer. Als sie auf den Rebellenführer Kelsier trifft, ändert sich Vins Leben grundlegend, und das kleine bisschen Glück, das ihr bisher zuzufliegen schien, bekommt eine Erklärung verpasst. Vin gehört zu den Nebelgeborenen und kann mit Hilfe von Metallen Allomantie bewirken, die ihre eigentlichen Kräfte bei weitem übersteigt!
Überraschend ruhig beginnt dieser Fantasy-Roman. Ausführlich werden die beiden Protagonisten Vin und Kelsier vorgestellt als zwei Personen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Kelsier ist mutig und ein Draufgänger, der durch das Verbrennen von Metallen Kräfte freisetzt und sie gegen seine Gegner einzusetzen weiß. Er hat einen Plan geschmiedet, um den Lord Ruler von seinem Thron zu stürzen, und braucht jede tatkräftige Hand zur Hilfe. Vin hingegen hat ein weitaus schwereres Leben und bewältigte dieses bisher vor allem durch ihr Wesen, durch ihre Unscheinbarkeit und Schüchternheit. Besser nicht beachtet werden als Schläge einstecken zu müssen. Die Kräfte, die in ihrem Körper schlummern, hat sie nur am Rande bemerkt und nie wirklich verstanden. Erst Kelsier zeigt Vin, was wirklich in ihr steckt.
Die beiden sind eingebettet in eine fiktive Welt, die von einem einzelnen Mann unterdrückt wird; im Adel finden sich weitere Kinder des Nebels, die im Dienste dieses einen Herrschers ihre Kräfte einsetzen und somit noch zu seiner Unbesiegbarkeit beitragen. Unterschwellig beherrscht wird die Welt auch von den Metallen, die als größtes Handelsgut dienen und den Nebelgeborenen ihre Kräfte verleihen. In Luthadel, der Regierungsstadt des Lord Rulers, gehen die Adeligen allabendlich zu Bällen, bei denen es um Sehen und Gesehenwerden geht, während vor dem Toren der Stadt die Skaa jeden Tag ums nackte Überleben kämpfen.
Eine explosive Mischung, die jedoch erst nach gut 200 Seiten wirklich zum Tragen kommt. Der Beginn ist vor allem durch Reden geprägt, das ständige Hin und Herwälzen des Plans, ein Treffen nach dem anderen, kein wirkliches Vorankommen. Doch Geduld zahlt sich aus! Mit einem Mal nimmt die Handlung an Fahrt auf, Vin lernt ihre Kräfte einzusetzen und gerät schon bald in Gefahr. Ab diesem Punkt fliegen die Seiten nur noch dahin, man möchte schier immer und immer weiter lesen. Die heraufbeschworene Welt steckt voller Geheimnisse, Längen lassen sich nur kurzzeitig bei den immer wiederkehrenden Bällen beobachten, die Vin besucht, um sich in die adeligen Kreise als Spionin einzufinden. Nach dem holprigen Start ist die Handlung abwechslungsreich und turbulent!
Insbesondere die beiden Hauptfiguren sind detailliert gezeichnet und handeln für den Leser nachvollziehbar, lassen sich in ihren Gedankengängen zudem sehr gut beobachten. Eine weitere Nebenfigur hebt sich im Verlauf der Geschichte von den anderen ab: Der Lord Elend, in den sich Vin bei den Bällen verliebt. Alles deutet darauf hin, dass er in den übrigen Teilen der Trilogie eine größere Rolle spielen wird, denn bereits hier entwickelt er sich zu einer wichtigen Schlüsselfigur.
Wer zu Beginn von »Die Kinder des Nebels« geduldig ist, wird belohnt. Nach Startschwierigkeiten entwickelt sich ein spannender Roman, der mit erfrischend anderen Ideen aufwartet.
Brandon Sanderson: Die Kinder des Nebels.
Heyne, Juli 2009.
896 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.