Unsere Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print bietet die neun besten Geschichten eines jeden Quartals aus unserem Mitmachprojekt. Dazu Kolumnen, Infos, Reportagen und ...
Jan Kock ist Scharfrichter im Hamburg des 18. Jahrhunderts. Er nimmt seinen Beruf sehr ernst, fühlt öfter als für ihn gut ist mit den Delinquenten. Hanna Kranz ist Dienstmädchen bei einer angesehenen Hamburger Familie. Sie glaubte ihren armen Verhältnissen entronnen zu sein, als sie diese Stelle antrat. Endlich nie mehr hungern, nie mehr nicht wissen, wo das Essen morgen herkommt. Aber für Hanna hat diese Sicherheit, die gar nicht so sicher ist, wie sie glaubte, ihren Preis. Der unausgelastete Hausherr schleicht sich zu Stunden, in denen er dort nichts zu suchen hat, in ihre Kammer. Bis eines Morgens ein totes Kind, das Hanna offensichtlich gerade geboren hat, in ihrem Bett gefunden wird. Hier beginnen sich die beiden Wege zu kreuzen, denn niemand glaubt Hanna die Version, ihre Hausherrin habe das Kind zum Tode gebracht.
Der Roman geht sehr dicht an die Handelnden heran, so dass ihre Motive gut nachzuvollziehen sind. Sogar für Hannas Dienstherren Broderjahn und seine Frau kommt ein gewisses Verständnis auf. Es ist ein Buch zum Mitdenken, da die jeweilige Perspektive sehr strikt eingehalten wird und dadurch zwangsläufig nicht alles beschrieben wird. So bleibt die Rolle des Puppenspielers sehr offen, ebenso wie das Ende des Romans. Sehr gut kommen die Denkweisen der unterschiedlichen Schichten des Hamburgs des 18. Jahrhunderts beim Leser an. Es ist eine Welt voller Verpflichtungen für die reiche Familie Broderjahn und voller Enttäuschungen für die arme Hanna.
Fazit: lohnenswerte Variante des Kindstötungsmotivs und ein nachdenklicher Roman über das persönliche Gewissen.
Dagmar Fohl: Das Mädchen und sein Henker.
Gmeiner-Verlag, Juli 2009.
274 Seiten, Taschenbuch, 12 Euro.