Stell Dir vor, Du setzt Dich, so wie früher oft, an den Tresen Deiner Stammkneipe, und nimmst Dir vor, einen schönen relaxten Abend mit ein paar harmlosen Plaudereien…, etc. Du verstehst. Kommt ein alter Kumpel rein, setzt sich ungefragt neben Dich und fängt an, eine haarsträubende Geschichte zu erzählen, wo Dir nichts anderes übrig bleibt, als zu nicken, oder ab und an die Stirne zu runzeln oder eben herzlich zu lachen. So weit klar? An einem Strich wird Dir da eine Story aufgetischt, die absurder nicht sein kann; und mittendrin der Brenner, ehemals Polizist und heute gleichmütiger und gelassener Fahrer, oder besser Chauffeur einer kleinen Prinzessin, die er, weil die reichen Eltern in dem magischen Dreieck Wien, Kitzbühel und München ihr mehr oder weniger sublegales Tun betreiben, zwischen diesen großen Adressen hin und her fährt. Die beiden haben sich so aneinander gewöhnt, also der Brenner und die kleine Helena, kommst Du noch mit? dass die Kleine schon meint, die Autobahn sei ihr Kinderzimmer. Pass auf, ich will gar nicht mehr verraten, denn was jetzt passiert, musst Du gelesen haben, von Kindesentführung, über Korruption, Prostitution, und sechsfachem Mord, alles da, ob du es glaubst oder nicht. Und immer wieder diese Abtreibungsgegner, ich sage Kampfbeterinnen, wenn Du verstehst was ich meine. Also eine Sprache, da bleibt sie Dir weg.
Und wenn wir uns demnächst am Tresen treffen, dann erzählst Du mir haarklein, was Du von dem Brennerroman gehalten hast. Und komm mir nicht mit, komischer Duktus oder so eine Scheiße, das ist der Stil von dem Haas.
Ich sage Hut ab!
Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott.
Hoffmann und Campe, August 2009.
224 Seiten, Hardcover, 18,99 Euro.