Unsere Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print bietet die neun besten Geschichten eines jeden Quartals aus unserem Mitmachprojekt. Dazu Kolumnen, Infos, Reportagen und ...
Vitus, Earl of Worthingham lebt im Jahre 1588 zusammen mit seiner Familie und alten Freunden mehr oder weniger zurückgezogen auf seinem Landgut. Aber England führt einen Seekrieg gegen seine alte Heimat Spanien und die Königin selbst ruft ihn zurück zur Seefahrt. Sein ältester Freund, der Magister, kehrt ihm und England den Rücken und schließt sich der spanischen Armada an. Die Rückkehr auf das Kriegsschiff „Falcon“ beginnt für Vitus mit einem Schock: Das Schiff ist heruntergekommen, die Mannschaft teilweise zweifelhaft und auf der ersten Erkundungsfahrt entdeckt er auch noch einen blinden Passagier: Die schöne Spanierin Isabella, die sich in England rücksichtslos in seinem Leben einzunisten versucht. Als er ein zweites Mal zur Flotte gezogen wird, folgt sie ihm als seine angebliche Ehefrau und hinterlässt auf seinem Heimatgut eine bösartige Intrige.
Der Roman enthält wunderschöne Szenen, wie etwa die Teile, in denen Isabellas verzweifeltes Klammern an einen alten, längst toten Säufer auf eine ganz sanfte Art dargestellt wird. Isabellas Charakter ist widersprüchlich, sie scheint dazu zu neigen, sich über ihre Loyalitäten selbst gern zu belügen. Weniger gefallen hat mir allerdings die Charakterisierung des Chirurgus Vitus. „Die Liebe des Wanderchirurgen“ war der erste Roman, den ich aus diesem Zyklus gelesen habe, möglicherweise lag es daran, dass ich Vitus Motivation nicht immer folgen konnte. Er findet Isabella auf dem Schiff vor, als er an Bord geht, sie hat vor allen Offizieren behauptet, sie sei seine Frau und er fürchtet sich davor, das richtigzustellen - macht aber mit seinem Schweigen alles nur noch schlimmer und verworrener, was auch mit wenig Phantasie vorauszusehen war. Hier war eine der Stellen, an denen ich für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr den Eindruck hatte, dass die ordnende Hand des Autors in die Geschehnisse eingegriffen hat, dass der Antrieb nicht so ganz aus den Figuren oder den Ereignissen kommt. Möglicherweise sehen das Leser der ersten drei Bände anders, weil sie die Figuren schon näher kennengelernt haben, aber für mich wirkten manche Figuren, insbesondere Vitus Frau Nina, wie aus Pappe, die im harten Seewind gar zu schnell Form und Fassung verlieren.
Durch den ganzen Roman hindurch blitzt immer wieder die Begeisterung des Autors für Medizingeschichte und historische Seefahrt auf und das ist es letztendlich, was den Roman für mich lesenswert machte, denn hier gelingt es Wolf Serno, den Leser mit seiner Begeisterung anzustecken. Auch Vitus bedingungsloses Eintreten für seine alten und neuen Freunde zieht den Leser in seinen Bann.
Fazit: Nicht das beste Buch, das ich von diesem Autor gelesen habe, aber letztendlich spannend geschrieben und interessant.
Wolf Serno: Die Liebe des Wanderchirurgen.
Knaur, November 2009.
648 Seiten, Taschenbuch, 9,95 Euro.