Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten- Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
Im Moor an der Küste Norfolks, England, wird eine Leiche gefunden. Die forensische Archäologin Ruth Galloway wird zur Datierung des Knochenmaterials an den Fundort gerufen. Sie trifft auf den Polizisten Harry Nelson, der vermutet, dass es sich bei der Toten um die vor zehn Jahren verschollene Lucy handelt. Doch Ruth muss ihn enttäuschen, diese Leiche lässt sich wesentlich weiter zurückdatieren. Der Polizist lässt dennoch nicht locker; den alten Fall will er nicht zu den Akten legen. Dann ereignet sich eine weitere Entführung, die der um 10 Jahre zurückliegenden fast aufs Haar gleicht. Ist der Entführer bzw. Mörder noch in der Gegend? Ein ungleiches Team begibt sich Schritt für Schritt auf Ermittlungen.
Der gescheiterte Polizist trifft in »Totenpfad« auf die Einzelgängerin und forensische Archäologin – durch ihr Wissen ergänzen sich die beiden gut und sorgen für den Gesamteindruck einer abwechslungsreichen Ermittlung. Hier geht es nicht nur um Tätersuche, auch archäologische Aspekte fließen in die Geschichte zu etwa gleichen Teilen ein und bieten schließlich den Schlüssel zu den beiden Entführungen. Spannung entwickelt sich rund um Ruth und Nelson allerdings nur ganz allmählich, was letztlich zu einem raschen Finale führt. In der ersten Hälfte verwendet die Autorin allzu viel Zeit auf das Vorstellen ihrer Charaktere und deren Eigenheiten. Ruth, die mit ihrem eigenen Leben wenig zufrieden ist, in einem gewissen Trott lebt und kaum ihre Wohnung verlässt, Nelson, der immer noch gedanklich an einem Fall hängt, welcher ihn vor zehn Jahren scheitern ließ. Die eigentlichen Ermittlungen kommen in dieser Zeit nur schleppend voran, jegliche Hinweise stellen sich als Trugschlüsse heraus. Das kommt dem Buch nicht unbedingt zu Gute, braucht es dadurch doch unheimlich lange, bis man es wirklich nicht mehr aus der Hand legen möchte. Man wird zum Mitraten eingeladen, ohne selbst in die Geschichte verwickelt zu werden, denn dazu wirken die heraufbeschworenen Charaktere jenseits der beiden Protagonisten allzu sonderbar.
Gut gewählt hingegen ist die Umgebung, innerhalb derer die Geschichte spielt! Ein Salzmoor in Norfolk, in dem vor einigen Jahren Fundstücke aus der Eiszeit ausgegraben wurden, die alle eine mysteriöse Geschichte erzählen. Unberechenbar wird es durch Ebbe und Flut für all jene, die sich mit dem Wasser nicht auskennen. Das Mysteriöse wird durch eine weitere Besonderheit unterstrichen. Kursiv vom eigentlichen Text abgehoben sind sehr direkt geschriebene, kurze Kapitel, die sich vorerst gar nicht recht einordnen lassen. Erst allmählich merkt man, dass die Perspektive zu einem der Opfer des Entführers gehört. Während sich die Lage des Opfers allerdings zuspitzt, tappen Ruth und Nelson weiterhin im Dunkeln. Sehr geschickt werden diese Kapitel dazu eingesetzt, die Leser bei der Stange zu halten!
Eine düstere Geschichte, die erst allmählich spannend wird. »Totenpfad« eignet sich für Leser, die sich gerne selbst auf die Suche nach Hinweisen begeben, dabei aber nicht Wert darauf legen, dass die von ihnen begleiteten Protagonisten mit ähnlichem Elan vorgehen.