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Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten-
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Franz Kafka: Ein Landarzt
Jetzt bestellen bei amazon.de! Franz Kafka. Kein Name birgt so viele starke Erinnerung an die Schulzeit wie gerade dieser. Meist sind sie negativ, denn war das nicht dieser seltsame Typ, über dessen Texte man sich viel zu lang die Haare raufte, um schließlich frustriert die Flinte ins Korn zu werfen, weil man das Gefühl hatte, dass man ihn nicht verstand? - Diese langen, verschachtelten Sätze! Diese seltsamen Bilder! - War das nicht der ewige Junggeselle mit dem Vaterkomplex, dessen Geschichten viel zu hoffnungslos waren, zu sehr Ausdruck einer Depression des Autors, als dass man so etwas wie einen Lesegenuss empfinden könnte? - Diese Themen! Diese Stimmung! Kafkaesk, was für ein Wort! - Der, den man schließlich so umging, dass man seinen Grundkatalog an Themen und Motiven abarbeitete - eine Entfremdung, eine überpräsente Vaterfigur oder eine Anspielung auf Kafkas Tuberkulose und seinen herannahenden Tod wird schon drin sein ... - ? Und der, den man ansonsten schlichtweg ertrug und auf erbaulichere Kost hoffte?

Kafka ist erbauliche Kost. Schade nur, dass man sie dem Leser dadurch vergällt, dass man sie zerredet, veranalysiert, anstatt sie zu genießen. Kafka lässt sich - trotz unzähliger Interpretationsansätze - nicht analysieren. Kafka lässt sich nur erfühlen.

Ein Landarzt, Kafkas sechste und vorletzte Geschichtensammlung, 1919 unter dem wachsamen Auge des Autors veröffentlicht, ist für einige typische, parabolische Prosastücke ebenso berühmt wie berüchtigt.

"Vor dem Gesetz" etwa, in dem ein Mann vom Lande Eintritt ins Gesetz begehrt, welches von einem Türhüter bewacht wird. Aus Angst jedoch vor den beschwerlichen Hindernissen, die ihn nach diesem ersten Türhüter erwarten könnten, zaudert er, weicht von seinem Wunsch ab und harrt stattdessen vor dem Eingang bis er alt und grau geworden ist. Als der Mann schließlich kurz vor seinem Tode steht, verschließt der Türhüter diesen Eingang zum Gesetz – den Zugang zur Erkenntnis des persönlichen Lebenszweckes – mit dem Hinweis, er sei nun nicht mehr vonnöten, sei er doch nur für diesen einen Mann geöffnet worden.
"Auf der Galerie" in dem ein Beobachter in scheinbar nicht endenden Sätzen eine Zirkusvorstellung beschreibt. "Die kaiserliche Botschaft" in der ein Gesandter mit einer wichtigen Mitteilung auf den Weg geschickt wird, aber auf Grund der Länge des zu überwindenden Weges den Adressaten nicht erreicht, sodass sich dieser die Botschaft selbst erträumt.

Und schließlich der Text, der dieser Sammlung den Namen gab - "Ein Landarzt".
Scheinbar "unlesbar", so vielschichtig und -zählig sind die Andeutungen, inhaltlich doch recht schnell erzählt:

Ein Landarzt, zu einem Schwerkranken gerufen, steht in tiefstem Schneegestöber ohne Pferd da, das er vor seine Wagen spannen könnte, denn seines ist verendet. Während Dienstmagd Rosa noch versucht, schnell eines von den Nachbarn zu leihen, springt ein Knecht aus dem Schweinestall hervor, fragt, ob er die Pferde, die zur Hand seien, anspannen solle. So macht sich der Arzt - gänzlich unirritiert ob des Auftauchens der Pferde, aber angstvoll besorgt um seine Dienstmagd, denn der Knecht beginnt bereits der flüchtenden Rosa nachzustellen - auf den Weg durch die stürmische Nacht. Bei seinem jungen Patienten angekommen, stellt der Arzt schnell fest, dass der Junge gesund ist, ihm an nichts fehlt. Die erwartungsvollen Blicke der Familie jedoch und in Anbetracht seiner eigenen Situation - für die Wunder, die seine Patienten erwarten viel zu schlecht bezahlt und wieder sinnlos durch die Nacht geschickt - betrachtet er den Patienten erneut und erkennt eine furchtbare Wunde, die sich an des Jungen Seite auftut. Die Familie ist zufrieden, denn sie sieht den Arzt endlich wie erwartet in Aktion. Die Familie und der Dorfälteste entkleiden den Arzt und legen ihn unter dem Singen des Schulchores - "Entkleidet ihn, dann wird er heilen! Und heilt er nicht, so tötet ihn! Sist nur ein Arzt" - zu dem Jungen ins Bett. Nachdem der Junge dem Arzt ein Versprechen abgerungen hat, dass seine Wunde gar nicht die übelste sei, nutzt der Arzt die Gunst der Stunde, um zu fliehen. Begleitet von dem erneuten Gesang des Schulchores - "Freuet Euch, Ihr Patienten - der Arzt ist Euch ins Bett gelegt!" - flüchtet er mit der Sicherheit, dass sein bisheriges Leben zerstört ist.

Was soll das? Was will mir der Autor sagen? Lesarten und Interpretationen gibt es viele, aber das soll den Leser nicht stören, denn wichtig ist, was er daraus macht.
Kafkas Texte sind ohne Zweifel gespickt, für manch einen Geschmack überladen mit Symbolen. Er malt Bilder, scheinbar ohne Bezug zueinander, fügt sie zusammen in einer Sprache und Wortgewalt, die kaum Zeit zum Atemholen lässt.
Daher mag es bei der Erschließung der Texte sicherlich helfen, wenn man sich bestimmter Eckdaten bewusst ist, denn 1883 als Kind eines dominanten Vaters in die deutsche Minderheit des tschechischen Prags hineingeboren, war Kafka ein Kind seiner Zeit und seiner Lebensumstände. Nötig sind sie jedoch nicht, gehen seine Texte ja doch weit über eine literarisch-autobiographische Aufarbeitung persönlicher Lebensthemen hinaus. Lässt man sich darauf ein, Texte immer wieder zu lesen und sie jedes Mal ein bisschen näher zu erschließen, wird man reichlich belohnt.

Seine Themen sind essentiell und allgemeingültig - Entfremdung, Eigen- und Fremdbestimmung, die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Lebens und die Suche nach dem eigenen Ich.
Kafka lässt den Leser mit einem Gefühl zurück, dass man - vielleicht gerade weil man ihn nicht ganz versteht - etwas angerührt hat, das im Verborgenen lag. Deswegen ist der "Meister der deutschen Sprache" ein Großer der Literatur - weil er anrührt.

Die Texte dieser Sammlung:
Der neue Advokat -- Ein Landarzt -- Auf der Galerie -- Ein altes Blatt -- Vor dem Gesetz -- Schakale und Araber -- Ein Besuch im Bergwerk -- Das nächste Dorf -- Die kaiserliche Botschaft -- Die Sorge des Hausvaters -- Elf Söhne -- Ein Brudermord -- Ein Traum -- Ein Bericht für eine Akademie

Erschienen u.a. als Nachdruck der Originalausgabe von 1919 im Stroemfeld -Verlag (2004, ISBN-10: 3878779410, ISBN-13: 978-3878779414), im Rahmen der Brodschen Kafka-Edition im ZWEITAUSENDEINS – Verlag (2004, ISBN-10: 3861506424, ISBN-13: 978-3861506423) und in Auswahl als Fischer -TB

Franz Kafka: Ein Landarzt.
Vitalis Verlag, Prag, Februar 2007.
104 Seiten, Hardcover.

Tanja Muhs

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