Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
Berlin in den achtziger Jahren : Man lebt zwar eingemauert, aber man ist jung und wild und experimentierfreudig. Man haust in Hinteerhofbuden mit Kohleheizung und Aussenklo, feiert verqualmte Studentenfeten, man macht Kunst oder treibt sich zumindest in den Ateliers angesagter KĂŒnstler herum, man dreht sich vor allem um sich selber, im eigenen Mikrokosmos, man gibt sich hemmungslos dem Leben und dem Moment hin.
In diesem Milieu ist der Roman von Tanja Langer angesiedelt.. Es geht in der Hauptsache um Konrad, Eva und Robert. Konrad, aus dessen Perspektive ein Teil des Buches erzĂ€hlt wird, studiert Jura, ist ein Verstandesmensch und hat zunĂ€chst wenig mit der unsteten KĂŒnstlerszene am Hut. Doch dann lernt er Eva kennen, und die schleppt ihn durch die Ateliers ihrer Freunde. Eva ist unbestĂ€ndig, voller Lebenshunger und Erlebnisdrang, und so endet diese Beziehung, als Eva den Maler Jackson kennerlernt, dem sie immer mehr verfĂ€llt, wĂ€hrend dieser schlieĂlich zu seiner LebensgefĂ€hrtin nach Australien abhaut. Eva ist erst völlig verstört, lĂ€sst sich dann von Konrads dessen Freund Robert trösten, einem ĂŒberspannten Intellektuellen und Dichter, der stĂ€ndig Kafka und Majakowski zitiert. Dieser Teil wird aus Evas Sicht erzĂ€hlt, der Leser wird Zeuge einer Beziehung, die sie immer mehr aufreibt. Sie fĂŒhlt sich dem unberechenbaren Robert ausgeliefert, der jedem intensiven Erlebnis eine Distanzierung, einen emotionalen Schock folgen lĂ€sst. SchlieĂlich entzieht sie sich ihm durch die Flucht nach London..
Zum Schluss erzĂ€hlt Konrad noch einmal um RĂŒckblick, er hat Evas ehemaligen Professor getroffen, der ihre TagebĂŒcher besitzt. Beim Lesen reflektiert er ĂŒber die damalige Zeit, ĂŒber sich und seine Freunde.
Ein Roman voll emotionaler Wucht, der alles auslotet, was das Thema Liebe und Beziehung hergibt. Hingabe, SexualitĂ€t, Einsamkeit, AbhĂ€ngigkeit, Verlust, Schmerz, Eifersucht, Tanja Langer ist nichts Menschliches fremd. Das WĂŒhlen in GefĂŒhlen fĂŒhrt in die tiefsten AbgrĂŒnde, in denen sich die labilen Charaktere verlieren. Von ihren Leidenschaften gequĂ€lt, getrieben von der Sehnsucht nach Liebe, irren sie durchs Leben, versuchen immer wieder, sich aus der Verzweiflung zu retten und scheitern daran, dass sie im Grunde nicht wissen, was sie eigentlich wollen.
Das LebensgefĂŒhl im Vorwende-Berlin hat die Autorin gut eingefangen, ihre Figuren sind dicht am Leben dran und entsprechend intensiv kommen sie beim Leser an. Kalt lĂ€sst einen dieses Buch nicht, da wohl jeder schon mal Ă€hnliche Situationen wie die dort Beschriebenen erlebt hat. Manchmal fĂŒhlt man sich allerdings fast erschlagen von so viel GefĂŒhlschaos und wĂŒnscht sich einen distanzierenderen Blick.
Tanja Langer: NĂ€chte am Rande der inneren Stadt.
dtv premium, April 2008.
320 Seiten, Harcover, 14,90 Euro.