Berlin in den achtziger Jahren : Man lebt zwar eingemauert, aber man ist jung und wild und experimentierfreudig. Man haust in Hinteerhofbuden mit Kohleheizung und Aussenklo, feiert verqualmte Studentenfeten, man macht Kunst oder treibt sich zumindest in den Ateliers angesagter Künstler herum, man dreht sich vor allem um sich selber, im eigenen Mikrokosmos, man gibt sich hemmungslos dem Leben und dem Moment hin.
In diesem Milieu ist der Roman von Tanja Langer angesiedelt.. Es geht in der Hauptsache um Konrad, Eva und Robert. Konrad, aus dessen Perspektive ein Teil des Buches erzählt wird, studiert Jura, ist ein Verstandesmensch und hat zunächst wenig mit der unsteten Künstlerszene am Hut. Doch dann lernt er Eva kennen, und die schleppt ihn durch die Ateliers ihrer Freunde. Eva ist unbeständig, voller Lebenshunger und Erlebnisdrang, und so endet diese Beziehung, als Eva den Maler Jackson kennerlernt, dem sie immer mehr verfällt, während dieser schließlich zu seiner Lebensgefährtin nach Australien abhaut. Eva ist erst völlig verstört, lässt sich dann von Konrads dessen Freund Robert trösten, einem überspannten Intellektuellen und Dichter, der ständig Kafka und Majakowski zitiert. Dieser Teil wird aus Evas Sicht erzählt, der Leser wird Zeuge einer Beziehung, die sie immer mehr aufreibt. Sie fühlt sich dem unberechenbaren Robert ausgeliefert, der jedem intensiven Erlebnis eine Distanzierung, einen emotionalen Schock folgen lässt. Schließlich entzieht sie sich ihm durch die Flucht nach London..
Zum Schluss erzählt Konrad noch einmal um Rückblick, er hat Evas ehemaligen Professor getroffen, der ihre Tagebücher besitzt. Beim Lesen reflektiert er über die damalige Zeit, über sich und seine Freunde.
Ein Roman voll emotionaler Wucht, der alles auslotet, was das Thema Liebe und Beziehung hergibt. Hingabe, Sexualität, Einsamkeit, Abhängigkeit, Verlust, Schmerz, Eifersucht, Tanja Langer ist nichts Menschliches fremd. Das Wühlen in Gefühlen führt in die tiefsten Abgründe, in denen sich die labilen Charaktere verlieren. Von ihren Leidenschaften gequält, getrieben von der Sehnsucht nach Liebe, irren sie durchs Leben, versuchen immer wieder, sich aus der Verzweiflung zu retten und scheitern daran, dass sie im Grunde nicht wissen, was sie eigentlich wollen.
Das Lebensgefühl im Vorwende-Berlin hat die Autorin gut eingefangen, ihre Figuren sind dicht am Leben dran und entsprechend intensiv kommen sie beim Leser an. Kalt lässt einen dieses Buch nicht, da wohl jeder schon mal ähnliche Situationen wie die dort Beschriebenen erlebt hat. Manchmal fühlt man sich allerdings fast erschlagen von so viel Gefühlschaos und wünscht sich einen distanzierenderen Blick.
Tanja Langer: Nächte am Rande der inneren Stadt.
dtv premium, April 2008.
320 Seiten, Harcover, 14,90 Euro.