Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das? Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten- Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
Jem ist 15 Jahre alt und unter ihren Mitmenschen eine Außenseiterin. Mit Klassenkameraden hat sie nicht viel zu tun und wenn es nach ihr ginge, bliebe sie ganz und gar zu Hause. Denn Jem hat eine besondere Gabe, die sie von anderen unterscheidet und trennt. Sie sieht in deren Augen das Datum ihres Todes. Dadurch vermeidet sie, so gut es geht, Augenkontakt und kommt den anderen seltsam vor. Als sie auf den gleichaltrigen Jungen Spinne trifft, wendet sich das Blatt. Die beiden freunden sich an und verbringen Zeit miteinander. Doch Spinne hat nicht mehr lange zu leben – nur noch bis zum 15. Dezember, das weiß Jem. Nur eine Woche vor dem Termin sieht Jem über die Todeszahlen einen Anschlag am Londoner Riesenrad vorher und flieht mit Spinne vor dem Unglück. Damit ist das Chaos perfekt: Über alle Medien werden zwei Jugendliche gesucht, ein großer dunkelhäutiger und ein kleinerer hellhäutiger, die kurz vor dem Terroranschlag das Gelände fluchtartig verlassen haben. Spinne und Jem packen kurzerhand ein paar Sachen zusammen und türmen.
Von der ersten Minute an wird man hier eng in eine Handlung eingebunden, die stets an Tempo zunimmt. Jem spricht ihre LeserInnen immer wieder direkt an, bindet sich ein in das Geschehen durch geschickte Fragen, die sie dazu zwingen, sich mit dem Gelesenen auseinanderzusetzen. Das gelingt auch durch die verwendete Sprache: umgangssprachlich, jugendlich, aber ohne plump zu wirken. Sie passt einfach zu den Figuren und ihren Denkweisen. Vorgestellt wird Jem als Außenseiterin, die sich allmählich Spinne gegenüber öffnet, in dessen Oma eine unerwartete Verbündete findet und an seiner Seite zusehends aufblüht. Sie wird wagemutiger, springt auch mal über ihren eigenen Schatten und riskiert etwas für den Jungen, der ihr mit der Zeit mehr bedeutet als nur ein einfacher Freund. Dadurch wirkt Jem sehr glaubhaft, bekommt sie doch am eigenen Leib – zum ersten Mal in ihrem Leben – zu spüren, was Freundschaft heißt.
Das wichtigste Thema des Buches, das immer wieder auftaucht, ist die Frage nach der Vorherbestimmung. Steht der Tod eines Menschen wirklich von seiner Geburtsstunde an fest? Kann er nicht verhindert werden? Diese Erfahrung macht Jem, als sie Menschen beobachtet, denn jeder stirbt an dem Datum, das sie von ihm weiß. Ganz egal, was Jem unternimmt. Besonders am Ende wird das bei Jems abschließendem Statement vor einer Menschenmenge sehr gut deutlich. Das Thema ist überraschend jugendgerecht aufbereitet und nimmt nicht zu viel Raum ein neben Freundschaft, Flucht und erster Liebe.
Spannung ist durchweg vorhanden: Erst durch die schwierige Situation, in die sich Spinne durch ein paar Drogendeals manövriert, dann durch die Flucht der beiden nach dem Terroranschlag und nicht zuletzt durch das Wissen, dass Spinne das Ende des 15. Dezembers nicht erleben wird.
Spannend bis zur letzten Minute – und darüber hinaus! Tolle Unterhaltung für LeserInnen ab 14 Jahren, ernst und rasant zugleich.
Rachel Ward: Numbers: Den Tod im Blick.
Chicken House im Carlsen Verlag, April 2010.
362 Seiten, Taschenbuch, 13,95 Euro.