Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten- Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
Als Lulu zehn Jahre alt ist, tötet ihr Vater ihre Mutter. Er landet im Gefängnis und Lulu mit ihrer kleineren Schwester Merry bei der Großmutter. Die Ereignisse schweißen die Geschwister zusammen, aber der Umgang mit dem einschneidenden Erlebnis könnte unterschiedlicher kaum sein. Merry, die bei dem Angriff sogar verletzt wurde, hält weiterhin zu ihrem Vater und setzt alles daran, die Beziehung zu ihm aufrecht zu erhalten. Ja, sie fühlt sich sogar schuldig für den Vorfall und besucht ihn regelmäßig im Gefängnis. Lulu distanziert sich von ihm, verdrängt das Geschehen so gut es geht und will keinen Kontakt. Sie setzt alles daran, die verantwortungsbewusste Schwester zu sein, die auf die drei Jahre jüngere Merry aufpassen kann. Doch das Erlebte lässt sich nicht ewig verdrängen …
Randy Susan Meyers gelingt mit »Heute und in Ewigkeit« ein fantastischer Roman über Gewalt in der Familie, hier in einer der schlimmstmöglichsten Ausformungen, und die Auswirkungen auf die einzelnen Personen. Mit den sehr unterschiedlichen Geschwistern Merry und Lulu werden zwei Arten der Bewältigung vorgestellt, beide äußerst überzeugend ausgeschmückt. Dass dieser Roman eine fiktive Geschichte erzählt, möchte man gar nicht recht glauben. Meyers schildert authentisch, manchmal direkt, manchmal zwischen den Zeilen, wie die Mädchen, später jungen Frauen mit dem Verlust der Mutter und der Schuld des Vaters umgehen, wie sie aufwachsen und sich ein eigenes Leben aufbauen. Die Idee des Romans kommt nicht von Ungefähr, was die spürbare Authentizität ebenfalls bedingt: Randy Susan Meyers kann aus ihren Erfahrungen in der Arbeit mit Opfern häuslicher Gewalt profitieren und übermittelt mit ihrem Roman ein durch und durch lesenswertes Bild derselben. Es gelingt ihr, die Persönlichkeiten ihrer beiden Protagonistinnen, die über die Jahre hinweg im Wechsel berichten, psychologisch detailliert zu beleuchten, ohne dabei Leser oder Leserinnen zu langweilen. Ganz im Gegenteil bringt sie immer auch sympathische Anteile und Witze in die Geschichte ein und weiß kleinere Spannungsbögen einzubauen.
Besonders stark wirken die Perspektiven von Lulu und Merry im Kindesalter. Sie zeichnen sich durch direkte Aussagen und unverblümte Feststellungen aus, ganz so, wie Kinder die Ereignisse schildern würden. Merry ist fest davon überzeugt, das Einzige zu sein, was ihrem Vater noch geblieben ist und klammert sich deshalb wie eine Ertrinkende an ihn, um ihn, nicht sich selbst, zu retten. Lulu hingegen nimmt mit ihren zehn Jahren zum Zeitpunkt des Vorfalls diesen bereits differenzierter wahr und schottet sich, um stark zu sein, vorerst von den Folgen ab. Erst Jahre später bricht das aus ihr heraus, was der Mord an ihrer Mutter wirklich für sie bedeutet. Über die Jahre hinweg wird dieser Verlust immer wieder spürbar im Verhalten der Frauen und es fällt ihnen schwer, ein eigenes Leben aufzubauen. Flucht vom Ort des Geschehens und Neuanfang in einer anderen Stadt sind beispielsweise die Strategien, auf die Lulu vertraut. Hier wird klar, was es heißt, die Tochter eines Mörders zu sein, die Tochter eines Mannes, der die eigene Mutter umgebracht hat. Dieses Buch wirft Fragen auf und lädt zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema ein. Es bleibt in Erinnerung und lässt sich so schnell nicht mehr vergessen!
Ein beeindruckendes Buch über die Auswirkungen von Gewalt in der Familie, in hohem Maße psychologisch, aber auch unterhaltsam.
Randy Susan Meyers: Heute und in Ewigkeit.
Diana, März 2010.
448 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.