Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
Kaltenberg, 1315: Bei einem Überfall feindlicher Truppen kommt die junge Anna gerade noch mit dem Leben davon, während ihr Bruder Martin verstirbt. Sie spricht einen Fluch aus auf den schwarzen Ritter, der ihren Weg kreuzt. Anna ahnt aber nicht, dass sie ihr Leben von diesem Moment an untrennbar mit seinem verbindet. Er wird erst ruhen können, wenn Anna tot ist. Fortan ist das Leben für die junge Frau nicht einfach und sie bekommt zu spüren, dass ihre geheime Liaison mit Ulrich, dem Sohn des Burgherrn, unter keinem guten Stern steht. Ehe sie es sich versieht ist sie der Hexerei angeklagt und das alles nur, weil sie ein Lied, eines aus den Carmina Burana, für Ulrich gesungen hat und behauptet wird, dass er ihr seitdem verfallen sei. Plötzlich sieht sie sich mit ihrem Erzfeind Raoul, dem schwarzen Ritter, konfrontiert. Er ist ihre einzige Hoffnung, den Anschuldigungen noch lebend zu entkommen.
Julia Freidank erzählt in »Die Gauklerin von Kaltenberg« lebendig und mitreißend von den Erlebnissen einer fiktiven Figur. Von der ersten Seite an ist man als Leser bzw. Leserin mitten im Geschehen, findet aber auch genügend Zeit, um sich mit der Protagonistin und den Nebenfiguren ausreichend zu arrangieren. Größere und kleine Spannungsbögen führen durch die Handlung und der rote Faden bleibt immer erkennbar. Die Carmina Burana, eine Sammlung meist lateinischer Lieder, wird zum Drehpunkt des Geschehens. Als Anna unwissend öffentlich eines der Lieder singt, natürlich ohne zu wissen, was genau sie dort zum Besten gibt, werden so die folgenden Ereignisse ausgelöst.
Mit dem Ritter Raoul und der „Gauklerin“ Anna, die vielmehr eine junge Frau ist, die sich allein durchschlagen muss und so rein zufällig beim fahrenden Volk landet, stehen hier zwei Figuren im Mittelpunkt, die gegensätzlicher kaum sein könnten, aber gerade durch diese Gegensätzlichkeit das Geschehen beleben. Raoul verbirgt ein Geheimnis und dürfte eigentlich sogar gar kein Ritter sein, Anna hingegen hält – durchaus naiv – an Ulrichs Zuneigung fest, spürt aber auch, dass sie ihr Leben auf diese Art und Weise in eine Sackgasse befördert. Durch diese beiden Figuren gelingt ein guter Blick auf die unterschiedlichen Aspekte der Geschichte.
Die Autorin verlässt sich auf Dinge, mit denen sie sich auskennt. Die Deutsche hat eine Gesangsausbildung ist mit dem Carmina Burana vertraut und lebt in der Nähe von Kaltenberg. Dass sie sich dort auskennt wird spürbar in zahlreichen plastischen Beschreibungen der Umgebung und der Burg. Gepaart mit einer leichtgängigen Sprache lässt sich dieser historische Roman flüssig lesen und genießen.
Auch äußerlich wird das Buch zum Hingucker mit schicken flexiblen Einband, einem treffenden Cover, passenden Karten und Informationen zur historischen Belegbarkeit und den einzelnen Figuren der Geschichte.
Angenehme Unterhaltung vor mittelalterlicher Kulisse. Ein Fluch verändert die Leben zweier Menschen und die Leser und Leserinnen dürfen seitenweise mitfiebern, wie die Beziehung dieser beiden Feinde sich entwickelt.
Julia Freidank: Die Gauklerin von Kaltenberg.
Marion von Schröder, Mai 2010.
491 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,95 Euro.