Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
Das zu hören, was andere gerade denken – eine reizvolle Vorstellung. Den 47-jährigen Journalisten Arne Stahl treibt das in den Wahnsinn. Nacht-Talker Jürgen Domian erzählt in seinem äußerst lesenswerten, liebevoll, einfühlsam und spannend geschriebenen Roman „Der Gedankenleser“ die Geschichte des Mannes, der dadurch unfreiwillig zum Geistes-Voyeur wird.
Arne wurde vom Blitz in den Kopf getroffen, seit dem hört er als Stimmen im Ohr, das, was andere denken, aber nicht aussprechen. So lange, bis die Liebe den Fluch zerstört. Dazwischen scheitert seine Ehe nach 14 Jahre an dem, was er Vernichtendes aus dem Kopf seiner Frau hört, was sie ihm aber nie gesagt hat. Arne kündigt seinen Job, weil er auch seine Kollegen anders kennen lernt, und eine alte Freundschaft und flieht nach Finnland.
Der 53-jährige Domian arbeitet in dem Buch viel von den seelischen Abgründen der Menschen auf, die im allabendlich nachts am Telefon erzählt werden: Sexuelle Fantasien und Missbrauch, Enttäuschungen, Mordgeständnisse. Erstrebenswert ist ein Leben als Gedankenleser wohl kaum. Und die Frage „Woran denkst Du gerade“ möchte man so ehrlich wie Arne Stahl auch nicht beantwortet haben. Im Roman ist das jedoch sehr unterhaltsam.