Neun Geschichten erwarten den Leser im aktuellsten Band der Edition Medusenblut.
Wer den Autor und Herausgeber Boris Koch kennt, der weiß, dass er in seinem kleinen, ambitionierten Verlag neben eigenen Werken immer wieder auch talentierten Kollegen die Gelegenheit gibt, abseits der einengenden Vorgaben des großen Verlags-Business´ Texte zu präsentieren.
Dass dabei dann immer wieder gar seltsame Preziosen das Licht der BĂĽchertische erblicken ist gewollt und macht das Auspacken eines neuen Medusenblut-Bandes erst so richtig interessant.
Michael Tillmann war ein unbeschriebenes Blatt für mich. In der Goblin Press erschien vor Jahren (1997) und inzwischen längst vergriffen mit Das Grinsen im Labyrinth eine erste Storysammlung, ansonsten legten sporadische Veröffentlichungen in Magazinen von Tillmans Fabulierkunst beredt Zeugnis ab (zumindest nehme ich dies nach Lektüre vorliegenden Bandes an).
Schon Äußerlich kommt uns das Buch ungewöhnlich daher. Heinrich Kley war anno dazumal bereits als Illustrator für den legendären Orchideengarten tätig, und sein Bild spiegelt kongenial den Inhalt einiger der Geschichten wieder.
Nicht alle der Stories haben mich gleichermaßen angesprochen, dennoch wurde schnell deutlich, dass Michael Tillman ein Verfasser ist, der seinen Leser einiges Zumutet, der auf ganz eigene, laute ja brutale Weise verblüfft. Als Kind des Ruhrpotts – Tillmann lebt in Gelsenkirchen – hat der Autor eine besondere Beziehung zu Stahl. Dazu gesellt sich seine Liebe für Heavy Metal – heraus kommen aus dieser Synthese literarische Stücke, die anders sind, als das was man gemeinhin zu lesen bekommt. Sei es, dass zunächst ganz im gediegenen Akademiker-Deutsch über die gesellschaftlichen Normen der Japaner parliert wird, bevor wir in eine märchenhafte Samuraigeschichte entführt werden, oder erfahren, warum ein Zombijäger keine Überstunden mehr schiebt (eine bitterböse Satire auf das permanent labernde Mundwerk so mancher unserer Zeitgenossen), der Cyborg-Satan der in Gelsenkirchen seine Apokalyplse beginnt, oder der Black-Metal-Sänger der vom Geist des letzten katholischen Mönches besessen wird, oder die Mähr vom Kriegsglück, das sich am Herz des Königs aufhängt – das Gebote liest sich wie ein wilder Ritt auf den Saiten einer verzerrten Gibson Les Paul vor aufgedrehten Mashall Verstärkern – wild, ungebändigt und rau, authentisch, ehrlich und ungezügelt.
Michael Tillmann: Ein Gänsekiel aus Schwermetall.
Medusenblut, Mai 2010.
201 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro.