Yorkshire, 1801: Mister Lockwood zieht auf das Gut Thrushcross Grange, in dessen unmittelbarer Nähe sich auch der Wohnsitz seines Vermieters Mister Heathcliff befindet: die Sturmhöhe, oder Wuthering Heights. Schon bei seinem Besuch beim Herrn merkt er sonderbare Vorkommnisse. Im Haus scheint es zu spuken, die Bewohner begegnen ihm allesamt abweisend. Zum Glück weis seine Haushälterin Miss Nelly Dean, eine betagte alte Frau, Rat und erzählt ihm die Geschichte des Heathcliff und der Familien Linton und Earnshaw. Diese Geschichte führt Lockwood zurück in die Vergangenheit zu den Kindern Catherine Earnshaw, ihrem Bruder Hindley und dem Findelkind Heathcliff.
Zwei Ich-Erzähler finden sich in diesem Roman, zum einen Lockwood, zum anderen die Bedienstete Nelly, die wesentlich deutlicher in den Mittelpunkt rückt als Lockwood. Er verbleibt im Dunklen und spielt den ganzen Roman über eine Rolle, die ihm nur zugedacht wurde, damit die Erzählstruktur funktionieren kann. Über ihn weiß man auch auf der letzten Seite fast genauso wenig wie auf der ersten. Dafür eröffnet sich den Lesern und Leserinnen das Leben mehrerer anderer Personen über viele Jahre hinweg. Die gesamte Handlung ist durch die aktuelle Situation auf der Sturmhöhe von einem Hauch Mystik überzogen. Denn zu Anfang weiß man nicht recht, was wirklich Sache ist und ob es nicht vielleicht doch spukt in dem alten Gemäuer.
Dreh- und Angelpunkt von »Sturmhöhe« wird Heathcliff, den man nie wirklich dem Guten oder Bösen zuzuordnen vermag. Er trägt die Züge eines Helden, aber auch seines bösen Gegenübers. Er wird in der Kindheit und Jugend weitgehend über andere definiert und am stärksten charakterisiert durch seine Beziehung zu Catherine, welche von ihrem Bruder ungewollt ist und durch ihre Heirat mit einem Linton auf eine schwere Probe gestellt wird. Ingesamt hat Emily Brontë einen Roman mit gewöhnungsbedürftiger Erzählstruktur, aber interessanten Figuren geschaffen, aus dem sich viel herauslesen lässt und der durchaus unterschiedliche Interpretationen zulässt.
Spannende Figurenentwicklungen treffen auf ein insgesamt recht kalt gehaltenes Klima ohne Sympathien. Was als wichtiger eingestuft wird, sei den Lesern selbst überlassen, »Sturmhöhe« erweist sich aber alles in allem als lohnenswerte Lektüre, eben weil dieser Roman so viele verschiedene Ansätze zulässt.