Die 17-jährige Carol Cranmore wurde entführt, ihr Freund Tony getötet, die Wände wurden mit Blut beschmiert. Bei der Durchsuchung eines Mülltonnenverschlages findet Darby McCormick, Mitarbeiterin beim Bostoner Erkennungsdienst, eine verhungerte, verängstige Frau, die, wie sich später herausstellt, Rachel Swanson heißt. Durch sie erfährt Darby, dass sich noch mindestens zwei weitere Frauen in der Gewalt eines Serienmörders befinden - und das sollten längst nicht dessen einzige Opfer bleiben …
Ein Wort umschreibt den Inhalt von „Victim“ wohl am besten: solide. Temporeich und spannend erzählt ist Chris Mooneys Debüt auf jeden Fall - besonders die Ermittlungsarbeit ist hier zu loben, an der es von meiner Seite wirklich nichts auszusetzen gibt. Außerdem fiel sehr positiv auf, dass sich Mooney nicht mit Überflüssigem aufhält - so versucht er zum Beispiel nicht mal groß, den Anschein zu erwecken, dass der im ersten Teil als Mörder u. a. von Darby McCormicks Freundin identifizierte Victor Grady tatsächlich der Täter war, sondern erzählt bald darauf das Geschehen auch aus Sicht des wahren Täters, Daniel Boyle.
So verheißungsvoll sich der Roman zu Beginn auch anließ, so enttäuscht sieht sich der regelmäßige Krimileser zum Ende hin. Das Motiv des Serienkillers Boyle (der von Anfang an als der Serienmörder identifiziert wird) ist, verglichen mit anderen Serienmörder-Romanen, eher dünn und bietet nun absolut ganz und gar nichts Neues - der gesamte Täter wirkte zuweilen wie ein „Best of“ der beliebtesten Serienmörder. Dabei kann auch die Motivation eines Täters wesentlich interessanter rübergebracht werden - das hatte zum Beispiel Andreas Franz mit seinem Serienmörder-Debüt „Jung, blond, tot“ und der tiefgehenden psychologischen Analyse des Täters eindeutig bewiesen. Auch der Whodunit-Effekt - die Enttarnung des Co-Killers - geht nicht wirklich auf; viel zu schnell wird klar, wer sich hinter der Maske von Richard Fowler im wahren Leben verbirgt - und dafür ist nun wirklich kein kriminalistischer Spürsinn notwendig. Die einzige richtige Überraschung bot sich auf den letzten Seiten - diese hat allerdings leider nur indirekt mit der Hauptstory um Daniel Boyle und seinen Co-Killer zu tun.
Wer nur selten Romane mit Serienmörder-Thematik liest und sich mit diesem Typ Verbrecher auch nicht so intensiv beschäftigt, ist mit „Victim“ gut bedient und kann mit dem Buch ein paar unterhaltsame Stunden verbringen - wer sich allerdings etwas näher mit dem Thema beschäftigt, wird wohl eher weniger seine Freude daran haben. Mooney bringt mit seinem Debüt nichts Neues ins Spiel - der Roman hält sich ganz an das altbekannte Schema, und das ohne wirklich große Überraschungen beziehungsweise Wendungen: Ein paar Kapitel aus Sicht des Täters, ein paar Kapitel Ermittlungsarbeit, ein paar (mehr oder weniger geglückte) Erläuterungen der Täter-Motivation und schließlich die Enttarnung des zweiten Täters.
Schleierhaft ist mir außerdem die Titelwahl: „Victim“ passt weder sonderlich gut zum Roman noch handelt es sich dabei um den Originaltitel - wenn schon ein Titel, der auf Gedeih und Verderb amerikanisch klingt, hätte man hier entweder den Originaltitel „Missing“ verwenden oder den Roman unter dem Namen „Traveler“ herausgeben können - so wurde der Serienkiller nämlich auch genannt.
Fazit: Trotz eines verheißungsvollen Anfangs lediglich Mittelmaß - weder sonderlich gut noch schlecht.