Unsere Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print bietet die neun besten Geschichten eines jeden Quartals aus unserem Mitmachprojekt. Dazu Kolumnen, Infos, Reportagen und ...
Der Roman beginnt 1911 in einer Bergbausiedlung in England. Billy Williams ist gerade sein erstes Mal eingefahren, seine Schwester Ethel arbeitet im Hause des Earls und Landbesitzers als HaushÀlterin. Aber das Leben schlagt recht schnell zu. Billy lernt die Gefahren der Grubenarbeit am eigenen Leib kennen und Ethel bekommt das uneheliche Kind des Earls und muss ihre Heimat verlassen.
In Russland trĂ€umt der Fabrikarbeiter Grigori von einem besseren Leben im sagenumwobenen Amerika. Gerade als er das Geld fĂŒr die Ăberfahrt endlich beisammen hat, gerĂ€t sein Bruder Lew in Verdacht, ein Mörder zu sein. Grigori schenkt ihm seine Fahrkarte und Lew bricht in Richtung der neuen Heimat auf.
Schon in dieser Zeit merkt man die Vorboten des 1. Weltkrieges. Sehr schön ist beschrieben, wie niemand es glauben wollte, wie man in England noch bis zuletzt darauf hoffte, es möge nicht zum Krieg kommen. In unterrichteten (Adels)kreisen war man sich in allen LĂ€ndern darĂŒber im Klaren, dass ein Krieg aufgrund der BĂŒndnisverhĂ€ltnisse sich zwangslĂ€ufig ausweiten muss. Alle mĂ€nnlichen Protagonisten ziehen im Verlauf des Romans in diesen Krieg und erleben seinen Schrecken am eigenen Leib.
Der Titel âSturz der Titanenâ meint vermutlich den Sturz der alten Monarchien in beinahe ganz Europa ebenso wie den Machtverlust des Adels in groĂen Teilen. Allerdings ist die gewollte globale Sicht des Autors, der EnglĂ€nder, Deutsche, Russen und Amerikaner als Protagonisten einsetzt, doch leicht englandlastig. Die Politik der Insel - Innen- wie AuĂenpolitik jener Jahre - ĂŒberwiegt deutlich. Russland scheint nur aus benachteiligten Bauern und Arbeitern und brutalen oder abwesenden Adeligen zu bestehen, in Deutschland scheint nur verarmter Adel zu leben. Aber auch in England sind die Figuren stark typisiert, wobei Follett kaum ein Klischee auslĂ€sst - angefangen beim toten Jungen wĂ€hrend es Mineneinsturzes (wegen nicht beachteter Sicherheitsbestimmungen - wer hĂ€tte das gedacht) ĂŒber die vom Earl schwangere HaushĂ€lterin bis hin zum ebenso erfolgreichen wie aus armen VerhĂ€ltnissen stammenden Bergarbeiter/Soldaten/Parlamentsmitglied. Und selbstverstĂ€ndlich hat der Autor auch die bekannte Frontweihnacht nicht vergessen. DafĂŒr löst die Ermordung der Zarenfamilie irritierend wenig Diskussionen in Grigoris Umfeld aus.
Trotzdem hat Ken Follett einen Pageturner geschrieben, dessen Spannung kaum je nachlĂ€sst. Die StĂ€rke dieses Romans liegt eindeutig in der ersten HĂ€lfte aber da ist er stellenweise wirklich stark und lesenswert. Das Ende bringt erste Diskussionen ĂŒber die Reparationszahlungen und die Inhaftierung eines ihrer Gegner: Adolf Hitler. Das verheiratete Paar, das am Ende in Berlin darĂŒber spricht, lĂ€sst trotz allem den zweiten Band mit Spannung erwarten.
Ken Follet: Sturz der Titanen.
Bastei LĂŒbbe, September 2010.
1024 Seiten, Gebundene Ausgabe, 28,00 Euro.