Am Anfang war ich skeptisch. Ich hatte ein komisches Gefühl. Deshalb, weil ich selbst immer Torwart war (und bin) und in dem Alter, als Enke sich das Leben nahm, sagen wir mal vorsichtig, eine depressive Phase hatte, an die ich mich nur noch ungern erinnere. Damals brach für mich eine Welt zusammen, alles passte nicht mehr, Zukunftsangst und was weiß ich. Vielleicht hat jeder Mann um die 30 herum mal so eine Phase; es ist die Zeit, da verlässt man die Unbeschwertheit der Jugend, des
Unbesiegbaren, und man betritt schon fast den entscheidenden Teil des Lebens. Und wenn man da unfertig ist, nicht recht weiß, und dann an allem zweifelt...gut, man nennt das auch einen seelischen Schnupfen.
Bei Robert Enke aber ist es eine klinische Depression. Eine schwarze schlimme Krankheit, ohne das man weiß, was sie auslöst, bzw. wie es zu solch dramatischen Schüben kommt. Als ich den Namen des Autors las, Ronald Reng, war ich von der Qualität des Buches überzeugt. Er begeisterte mich vor ca. 10 Jahren schon mal mit dem Buch "Der Traumhüter" und er ist bekannt, für seine sensible Herangehensweise an die handelnden Personen. Nicht zufällig lese ich in der Tageszeitung meiner Wahl heute wieder einen Artikel von ihm; über Timo Hillebrand. Auch einer, der es im Moment nicht leicht hat und auf der Ersatzbank von Sporting Lissabon schmort.
Ich will nicht viele Worte machen, vor mir haben viele tolle Rezensenten das Buch über alles gelobt. Ich will mich dem einfach anschließen. Diese Geschichte eines Leidensweges ist überzeugend dargestellt, alle Menschen die um ihn herum leben, bzw. lebten, sind auf dem Punkt gezeichnet und zitiert. Niemandem werden bittere Vorwürfe gemacht und bei allem, ist man so nah dabei, dass man meint, selbst Teil der Geschichte zu sein. Noch dazu, wenn man fußballbegeistert ist wie ich, und die zeitlichen Zusammenhänge, Teams, Trainer, Erfolge, auch sofort einordnen kann. Bei all dem
bleibt natürlich klar, dass der Fußball eigentlich nur eine marginale Rolle spielt. Die Krankheit schlägt unabhängig von Beruf, Erfolg, persönlicher Leistung, gesellschaftlicher Stellung zu. Und es kann so schlimm werden, dass es für das Leben nicht mehr reicht. Man hat noch die letzte Wahl. Welch eine Energie das kostet, vermag ein "normaler Mensch" nicht ahnen. Geht auch nicht. Was bleibt, ist die Erkenntnis, den Umgangston bei Menschen, bei denen zumindest die Möglichkeit besteht, dass er/sie auf dem Weg ist in eine schlimme Melancholie zu verfallen, dieses ewige "Nun reiß dich doch mal zusammen" für alle erkenntlich das Gegenteil bewirkt. Es ist gut, dass ich das Buch gelesen habe und ich werde es immer weiter empfehlen.
Ronald Reng: Robert Enke: Ein allzu kurzes Leben.
Piper, Oktober 2010.
426 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.