Nein, ein Liebeslied ist das nicht und auch kein Liebesroman. Wer Karen Duves Matsch-und Modder-Bestseller âRegenromanâ kennt, der weiĂ, daĂ er von dieser Autorin keine netten Geschichten erwarten darf. Sie schont weder Leser noch Figuren. Auch Anne, die Ich- ErzĂ€hlerin des neuen Romans, ist nicht gerade vom GlĂŒck gesegnet. WĂ€hrend eines Fluges nach London, wo sie noch einmal ihre unerwiderte Jugendliebe Peter treffen will, reflektiert und rĂ€soniert sie ĂŒber ihre Kindheit und Jugend in einer Hamburger Vorstadt. Ein kleinkariertes, liebloses Elternhaus, in dem sie um die Anerkennung bei den Eltern ringen muĂte, der Kinderfreund Axel, mit dem sie vom RasenmĂ€her zerfetzte Frösche mittels Tesafilm wieder zusammenzusetzen versuchte. SpĂ€ter die Qualen der Schulzeit und PubertĂ€t, miĂlungene Lieben, EĂstörungen. Trotzige Versuche, sich zu behaupten, Arbeit als Taxifahrerin, Ăbergewicht, Therapiegruppen. Und am Ende dieser ignorante Peter, der sie in der Eingangshalle seiner Firma einfach stehen lĂ€Ăt, da er Besseres zu tun hat als sich mit ihr zu treffen. Da ist nichts und niemand, der Anne rettet- die MĂ€nner sind unfĂ€hig und kĂŒssen schlecht, und auch der kumpelhaft-flotte Therapeut ist letztendlich ein Egomane, dem sein Kaffee wichtiger ist als die Patientin. Kein Lichtblick nirgends im Leben dieser Looserin, Ziemlich harter Stoff, der leicht in Larmoyanz oder Psychokitsch abgleiten könnte, wĂ€re da nicht Karen Duves wunderbares ErzĂ€hltalent. Die Leichtigkeit des ErzĂ€hltons, der trockene, oft bitterböse Humor und ihr Hang zu absurder Situationskomik kontrastieren mit dem eher dĂŒsteren Hintergrund. Die stĂ€rksten Szenen sind die aus der Schulzeit. So manche/r Leser/in wird sich wiederfinden in diesen alltĂ€glichen Höllen eines Teenagerdaseins. Sei es nun im Sportunterricht oder auf den Parties, wo man die ersten KĂŒsse tauscht- da ist nichts, was nicht danebengehen könnte. Anne ist uns durchaus menschlich nahe, hinter all ihrem Trotz und Sarkasmus und unter all ihren Fettschichten ahnen wir ihre Verletzlichkeit. Und so hĂ€tte man ihr doch zum SchluĂ etwas mehr GlĂŒck und SelbstbewuĂtsein gewĂŒnscht. Das Ende fand ich schwer verdaulich- vermutlich bin ich zu altfeministisch gepolt . Konnte sich Martina, die weibliche Hauptfigur im âRegenromanâ am SchluĂ noch in einem symbolischen Akt von ihrem Trauma befreien, so bleibt Anne in ihrem Fatalismus gefangen- und die Leserin etwas ratlos zurĂŒck.
Der âRegenromanâ ist in sich abgerundeter und stimmiger, doch auch in diesem zweiten Buch behauptet sich Karen Duve souverĂ€n als eine der besten und interessantesten deutschen Autorinnen mit ihrer Mischung aus Witz, AbgrĂŒndigkeit und Melancholie.
Karen Duve: Dies ist kein Liebeslied.
Goldmann Verlag, MĂŒnchen, Mai 2004.
288 Seiten, Taschenbuch.