Vierzehn Jahre alt ist der Tunichtgut Jonathan, als er das erste Mal direkt mit einem vergessenen Viertel Londons Bekanntschaft macht.
Zur Zeit Königin Victorias hat die Obrigkeit alle Verbrecher, derer sie habhaft werden konnte in ein Viertel Londons verbannt – ein Viertel, das sich in den folgenden Jahrhunderten von der Metropole des 21. Jahrhunderts gelöst, und ein ganz eigenes Leben angenommen hat.
In der Darkside sucht man die Errungenschaften der modernen hochtechnisierten Welt vergebens. Keine PS-starken Luxuskarossen, eine Handys und auch kein Internet, noch nicht einmal Strom gibt es hier, dafür um so mehr zwielichtige Gestalten.
Und ein paar der gefährlichsten Wesen der Darkside hat Jonathan sich schon zum Feind gemacht. So ist es keine grosse Überraschung, dass ihn einmal mehr ein Schicksalsschlag ereilt. Seine Ersatzmutter Miss Elwood, die Frau, die sich seit dem mysteriösen Verschwinden seiner leiblichen Mutter in der Lightside um ihn kümmerte wurde von dem Vampir Vendetta und der Kopfgeldjägerin Marianne entführt. Nur wenn es Jonathan, unterstützt natürlich von dem Werwolf Carnegie und seine alten Freundin Raquella muss er für zwei der mächtigsten Wesen der Darkside einen mysteriösen Edelstein stehlen.
Da fragt man sich doch, warum solch mächtige und einflussreiche Darksider das nicht von ihren eigenen Gehilfen erledigen lassen. Daran, dass der Besitzer des Diamanten sich auf der Lightside angesiedelt hat, kann es eigentlich nicht liegen, Eher schon, dass dieser sein Anwesen mit den modernsten Alarmanlagen gesichert und geschützt hat. Oder vielleicht doch daran, dass es sich bei dem unermesslich reichen Sammler um ein Spinnenwesen handelt, das seine Beute nur zu gerne in sein Netz lockt?
Nur eine Woche bleibt Jonathan, den Edelstein an sich zu bringen. Um überhaupt eine Chance zu haben, das Kleinod zu ergattern, braucht er Hilfe – nur die Gilde der Diebe, die berühmteste Einbrechergang der Darkside könnte es schaffen – doch die Gilde hat sich vor Jahren im Streit getrennt und der frühere Anführer ist ein alter Feind Jonathans …
Lag der Fokus in den ersten beiden Romanen der insgesamt fünf-bändigen Reihe ganz auf der Darkside, so wechselt der Handlungsort vorliegend in die Lightside, wie die Bewohner des dunklen Viertels unsere hell erleuchtete Welt so treffend nennen.
Insofern bleibt viel der Faszination, die die Pferdekutschen, Gaslaternen und Pflastersteine auf den Leser ausübten auf der Strecke.
Dass trotzdem keine Langeweile aufkommt, dafür sorgt Becker durch die spannend aufgezogene Geschichte des Raubes.
Das erinnert ein wenig an bekannte cineastische Vorbilder in denen versierte Einbrechergangs sich mit der hochtechnisierten Überwachungselektronik packende Gefechte liefern. Viele unerwartete Wendungen harren dem Leser, der Handlungsbogen ist einmal mehr straff gespannt, wobei mir allerdings auch auffiel, dass das Hinterfüttern das actionreichen Handlung mit Tiefe dieses Mal recht kurz kommt. Die persönliche Historie Jonathans, seine besondere, ambivalente Beziehung zur Darkside wird vorliegend kaum tangiert, die Suche nach der in der Darkside verschwundenen Mutter pausiert.
Insoweit bestimmt die vordergründige Handlung rund um den Raub das erneut wohltuend dünne Buch.
Tom Becker: Darkside 03. Die Gilde der Diebe.
Boje Verlag, Februar 2010.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,95 Euro.