Obwohl sein Vater August von zunehmender Demenz geprägt, viel von seiner Persönlichkeit verloren hat, gelingt es dem Autor und Sohn Arno Geiger eine ganz neue Form von Nähe zu ihm aufzubauen.
Mitzuerleben, wie der eigene Vater sich selbst verliert, sich in seiner vertrauten Welt nicht mehr zurechtfindet, hilflos mitanzusehen, wie das tägliche Leben des Vaters immer mehr einem Hürdenlauf gleicht, weil einfachste Denkmechanismen und einst routinierte Tagesabläufe mehr und mehr zu unüberwindbaren Herausforderungen werden, fordert von den Familienangehörigen grundlegendes Umdenken, Umformen alter Strukturen - und vor allem eine tiefe Empathiefähigkeit.
Arno Geiger meistert dies mit einer eindrucksvollen, fast an Leichtigkeit anmutenden Selbstverständlichkeit.
Die Widrigkeiten der Alzheimererkrankung seines Vaters schildert Arno Geiger nie anklagend, vielmehr beschreibt er, wie er immer wieder einen Zugang zum Vater findet, der beiden das Gefühl gibt, vom anderen angenommen und verstanden worden zu sein.
Weil der Vater die Wirklichkeit nicht mehr versteht und zunehmends in seiner eigenen Welt lebt, in der immer wieder Erinnerungen an vergangene Zeiten auftauchen, setzt Arno Geiger sich mit den Lebensstationen des Vaters auseinander. Es war ein einfaches, oft entbehrungsreiches Dasein, das der Vater gelebt hat.
Auch seine eigene Kindheit reflektiert der Autor, erkennt und bewertet teils neu. Dadurch erfährt er immer wieder beglückende Momente, in denen er dem Vater ganz nah ist.
So nimmt Arno Geiger unter anderem verwundert wahr, dass sein Vater August trotz allen Vergessens, trotz aller Verwirrtheit, Worte und Sätze in einer Poetik kreiert, um die er ihn gleichwohl ihrer Sinnlosigkeit sogar beneidet.
Letztlich wird klar, warum ein Mensch zu dem geworden ist, was ihn selbst ausmacht, wie die jeweilige Lebensform, die Zeit und andere Menschen geprägt haben.
Arno Geiger ist ein warmes, reiches Buch gelungen, das durchaus als kleine Hommage an den Vater verstanden werden kann.
Arno Geiger wurde 1968 geboren und lebt in Wien und Wolfurt. Er wurde unter anderem mit dem Friedrich Hölderlin-Preis, dem Deutschen Buchpreis und dem Johann Peter Hebel-Preis ausgezeichnet.
Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil.
Hanser, Februar 2011.
192 Seiten, Gebundene Ausgabe, 17,90 Euro.