Der Inhalt des Romans „Im Reich der Angst“ von Isaac Rosa ist schnell erzählt: Carlos führt mit seiner Ehefrau Sara und dem zwölfjährigen Sohn Pablo ein behütetes Leben in der Stadt. Bei seinen Nachbarn wird innerhalb kurzer Zeit mehrfach eingebrochen. Sicherheitsleute suchen die Bewohner heim. Und in dem Park, den er von seiner Wohnung aus einsehen kann, lungern zu jeder Tageszeit Jugendliche, die bedrohlich aussehen.
Für jede Gefahr und Angst hat Carlos Maßnahmen und Theorien. Zumindest glaubt er dies. Als sein Sohn von einem Mitschüler, misshandelt und erpresst wird, glaubt Carlos, die „Sache“ auf seine Weise in den Griff zu bekommen. Er beginnt, mit dem Erpresser zu verhandeln, und wird - schneller als er denken kann - ebenfalls misshandelt und erpresst. Langsam aber sicher steuert er auf seinen persönlichen Abgrund zu und reißt gleichzeitig seine Familie mit.
Isaac Rosa, geboren 1974 in Sevilla, vielfach mit Auszeichnungen und Preisen bedacht, hat aus seinem dritten Roman zugleich einen „dokumentarischen“ Roman gezaubert, der auf der einen Seite erschreckend real wirkt. Andererseits will man Carlos (Gedanken-)Welt auch liebend gern als Paranoia abtun, bei der Gewalt und Ängste die Regie übernommen haben. Denn in kurzen Kapiteln wechseln reale und scheinbar fiktionale Ängste einander ab, bis sie nach einem überbordenden Reigen zu einem Ganzen verwoben werden.
An einer Stelle schreibt Rosa, „... wenn dir jemand spontan seine Hilfe anbietet, lass die Deckung oben, mit jedem Schritt, den du tust, kann dein Fuß den Halt verlieren, ein Tapser in den Abgrund.“ Hätte Carlos sich doch nur selbst beim Wort genommen!
Den Titel „Im Reich der Angst“ darf der Leser durchaus wörtlich nehmen. Von Isaac Rosa wird er behutsam und unerbittlich zugleich in ein Reich voller Ängste geführt, so dass der geneigte Leser nach der Lektüre durchaus eine Doktorarbeit über alle Facetten der Angst schreiben könnte, wenn es nicht schon diesen Roman gäbe.
Isaac Rosa: Im Reich der Angst.
Klett-Cotta, Juli 2011.
316 Seiten, Gebundene Ausgabe, 21,95 Euro.