Robert Louis Stevenson: Der Master von Ballantrae (1889)
Den Namen Robert L. Stevenson verbinden wohl die meisten mit „Die Schatzinsel“ oder mit „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Der recht jung verstorbene schottische Schriftsteller Stevenson (1859–1894) kann jedoch eine ganze Reihe von Werken, darunter auch Lyrik und Essays, vorweisen. Hier soll uns aber der in Deutschland wenig bekannte historische Roman „The Master of Ballantrae“ interessieren. Historisch deshalb, weil der Beginn der Handlung rund 140 Jahre vor dem Erscheinen des Buches angesiedelt ist: Ebenso wie „Kidnapped“ (einigen vielleicht vom ZDF-Weihnachtsvierteiler aus 1978, „Entführt – Die Abenteuer des David Balfour“ bekannt) beginnt dieser Roman mit den Ereignissen um 1746, dem für Schottland so entscheidenden Jahr mit der gegen die Engländer verlorenen Schlacht von Culloden.
Im Zentrum der Handlung stehen zwei Brüder, von denen der ältere und Erbe gegen den Willen seiner Familie für Prince Charles und die aufständischen Jakobiten in den Krieg zieht, während der jüngere in der Heimat bleibt und Kontakt zum englischen Königshaus hält – eine, wie es im Roman heißt, gängige Praxis der „besseren“ Familien, die so auf jeder Seite ein Eisen im Feuer haben.
Als der nach der Schlacht lange tot geglaubte James, der „Master of Ballantrae“, zurückkehrt und feststellt, dass sein Henry, der den Titel seines Bruders nie übernommen hat, seine ehemalige Verlobte Alison geheiratet hat, bricht der Konflikt zwischen den ungleichen Brüdern offen aus und führt letztlich beide in den Tod, wie der Autor mit der Stimme des Erzählers gleich zu Anfang verrät.
Obwohl eine echte Identifikationsfigur fehlt – James ist zu boshaft, Henry zu sehr der Duldende und der Erzähler zu sehr der Buchhaltertyp, der von sich selbst sagt, er sei bereits in jungen Jahren alt gewesen – und obwohl von Anfang an der tödliche Ausgang bekannt ist, liest sich das Buch spannend bis zum Schluss. Das liegt zum einen an der Erzählstruktur, die den Roman als Manuskript erscheinen lässt, das, mit dem Vermerk versehen, es müsse bis 20.9.1889 geheim gehalten werden, über Umwege zu einem Verleger gelangt. Das ist zunächst so ungewöhnlich nicht, allerdings integriert der fiktive Erzähler in seinen Bericht auch Erzählungen und Beschreibungen von Freunden des Masters, welche diesen natürlich in einem ganz anderen Licht sehen als sein Bruder Mr. Henry und der diesem treu ergebene Erzähler. Zum anderen ist weder Mr. Henry der strahlende Gute noch der Master der finstere Böse – beiden gibt Stevenson genügend Grauschattierungen, um sie lebendig und interessant zu machen (während die Frau zwischen beiden durchgehend blass bleibt). Diese Geschichte, die von Schottland bis nach Amerika führt, kann man sich tatsächlich gut am winterlichen Kaminfeuer erzählen lassen – alternativ tut’s auch das Buch in Verbindung mit Tee und Kuscheldecke neben der Heizung.
Robert Louis Stevenson: Der Master von Ballantrae (1889).
Mare, August 2010.
336 Seiten, Gebundene Ausgabe, 29,90 Euro.