Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
Thomas wird in einem seltsamen Aufzug wach, der ihn auf eine künstliche Lichtung bringt. Dort erwarten ihn etwa fünfzig Jungen, die seltsam sprechen und ihn „Frischling“ nennen. Schnell findet Thomas heraus, dass jeder unter einem Gedächtnisverlust leidet. Keiner weiß, wie und warum er auf diese Lichtung vor den Toren eines gigantischen Labyrinths gebracht worden ist. Und jeder, der sich in die Weiten des Labyrinths traut, kann riesigen Monstern, halb Nacktschnecke - halb Maschine, über den Weg laufen. Die Monster („Griewer“) verfügen über lange metallische Nadeln, Greifarme und Scheinwerfer, mit denen sie vor allem nachts auf die Jagd gehen. Bisher wurden zahlreiche Jungen gestochen, viele starben oder verschwanden spurlos. Ein paar überlebten und durchlitten unter Qualen eine Verwandlung, bei der das gelöschte Gedächtnis zum Teil reaktiviert wird und in den Wahnsinn treibt. Zwei „Verwandelte“ wollen Thomas sogar umbringen.
Mit der Ankunft des ersten und einzigen Mädchens überschlagen sich die Ereignisse auf lebensbedrohliche Weise. Thomas rennt mit Gleichgesinnten um sein Leben, kämpft mit den Griewern und deckt ein Geheimnis auf, das so manchem Alptraum die Show stehlen könnte.
Der Roman für Jugendliche ist in kurze Kapitel eingeteilt, die jeweils mit überraschenden Wendungen enden. Die Geschichte wird im folgenden Kapitel jedoch nahtlos weiter erzählt, um wiederum mit schreckensverkündenden Neuigkeiten aufzuwarten. Dies treibt den Leser durch die Seiten.
James Dashners Sprachstil gehört zu den ausführlich formulierten. Die Bilder im Kopf des Lesers werden vollständig ausgemalt und Missverständnisse nicht zugelassen. Dadurch bleiben der Fantasie wenig Freiräume, und der Leser gerät ähnlich wie die Helden der Geschichte in eine Art von gedanklicher Haft.
Auch, wenn der Kampf ums Überleben langsam beginnt, ist der Jugendroman nichts für schwache Nerven. Ein sensibler Leser dürfte nach der Lektüre der letzten Kapitel noch eine Weile düsteren Gedanken zum Thema „Menschenversuche“ nachhängen.
Die Kernaussage des Romans „Die Auserwählten - im Labyrinth“ kleidet James Dashner in einem Verlagsinterview in die Frage: „Inwieweit müssen wir bereit sein, unsere Menschlichkeit zu verlieren, um die Menschlichkeit zu bewahren?“
Für ihn persönlich sei Fiktion eine Art Flucht.
In dem gleichen Verlagsinterview sagt er: „Mich zum Beispiel macht nichts glücklicher, als mich selbst zu gruseln. Daher mag ich es auch wirklich gerne, mir bedrohliche und unheimliche Situationen auszudenken. Je nervenaufreibender, desto besser.“
Der Leser sollte James Dashner wörtlich nehmen.
Insgesamt hat sich der Verlag viel Mühe gegeben, den jugendlichen Leser mit der Geschichte vertraut zu machen. Auf der Rückseite des Buches findet sich sowohl ein Labyrinth als auch eine Adresse, die zu einem Computerspiel im Internet einladen.
Das Spiel vermag vielleicht die Wartezeit auf den zweiten Band verkürzen.
Dieser erscheint im Juli 2012 auf Deutsch.
Wer nicht so lange warten will, kann den zweiten Band „The Scorch Trials“ schon jetzt kaufen. Der dritte und letzte Band „The Death Cure“ wird in diesem Herbst auf den englischen Markt kommen.
James Dashner: Die Auserwählten - Im Labyrinth.
Chicken House, April 2011.
496 Seiten, Gebundene Ausgabe, 16,95 Euro.