Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
Mir scheint, das Thema ist jetzt zunehmend dran. Nach Öffnung des Eisernen Vorhangs ist eine ganze Generation herangewachsen und die damals Beteiligten und Betroffenen verlieren ihre Sprachlosigkeit. Selbstverständlich gibt es jetzt Bücher und Filme, die alle lesenswert sind - von Uwe Tellkamps „Der Turm“ bis hin zum vor zwei Jahren verstorbenen Fußballtrainer Jörg Berger „Meine zwei Halbzeiten“. Filmtitel wie „Das Leben der anderen“ sind jetzt präsent und grade jetzt erscheint ein neuer Film über DDR - Zwillinge, die sich am Balaton 1988 verlieben und eine abenteuerliche Flucht erleben. Aber auch andere seltsame und unglaubliche Begegnungen hat man jetzt mehr und mehr. Der Grund ist einfach: es wächst zusammen, was zusammen gehört. Und so habe ich neulich Fluchtgeschichten aus erster Hand gehört, die mich tief bewegten. Wer also in den Siebzigern die Flucht plante, der musste (und wusste es) sein Leben riskieren. Und es ist komisch, wie lange wir hier die Situation hinter der Mauer so wenig beachteten, ja, sogar manchmal positivierten, in dem wir dachten, lass die mal den Sozialismus üben, vielleicht klappt es ja. Haslinger nimmt sich nun Verbrechen der stalinistischen Ära an, von denen sicher kaum einer was gehört hat; und zwar die nahe Tschechoslowakei, die wir in unserer Jugend vor allem wegen ihres Eishockeys bewunderten - aber auch dem Prager Frühling mutlos zusahen. Jáchymov ist ein Radon - oder Radiumsol-Heilbad, das älteste der Welt, spezialisiert auf Rheuma, insbesondere der unheilbaren Krankheit Morbus Bechterew, die einen vor Schmerzen sogar bewusstlos werden lassen kann, ich kann auch ein Lied davon singen. In (vormals Sankt Joachimsthal), diesem „Heilbad“ fanden auch "politische Umerziehungsmaßnahmen“" statt. Dazu gehörte, dass die Häftlinge in den Stollen des Uranbergbaus mit bloßen Händen radioaktive Erz sammeln mussten, und das dadurch der nahe Tod lauerte, ob vor Hunger, oder die Sträflinge waren körperlich so geschunden, dass kein weiterleben möglich war.
Haslinger beschreibt die Nachkriegsgeschichte der tschechoslowakischen Eishockeynationalmannschaft, die in den späten Vierzigern und Fünfziger Jahren Weltmeister und Olympiasieger waren. Haslingers Hauptfigur ist der Torwart Bohumil Modry, dessen Geschichte exemplarisch erzählt wird. Müßig zu sagen, dass es auch ganz andere Sportler oder unbequeme Menschen gegeben hat, deren Geschichte wahrscheinlich genauso aufgeschrieben hätte werden können. Der Gulag Jáchymov
zermürbt über Jahre den tschechischen Supertorwart, der auch Angebote hatte, in Canada Profi zu werden. Seine Tragik besteht darin, dass er dabei war, als flüchtig mal kurz, bei einem Gastspiel der Mannschaft in der Schweiz, intern kurz abgestimmt wurde, ab man im Westen bleibt. Mordry steht zu seinem Land und wird trotzdem verhaftet. Das Ende ist klar. Es wird zwar nach fünf Jahren amnestiert, stirbt aber dann an den Folgen der Verstrahlung. Seine Tochter, die Tänzerin, erzählt nun von dem, was sie weiß, was sie an Unterlagen gefunden hat und der an Morbus Bechterew erkrankte Verleger Anselm Findeisen, hört zu, notiert, ermuntert sie, die Chronik dieser Leidensgeschichte aufzuschreiben. Das Buch ist nicht leicht zu lesen.
Es gibt keine wörtliche Rede und manchmal ist es schwer zu verstehen, wer grade redet, und warum so plötzliche Brüche vorkommen, die einen stutzen lassen.
Josef Haslingers neuer Roman hat ein großes Thema. Es geht um kaum bekannte Verbrechen der stalinistischen Ära, Verbrechen im winzigen nahe der deutsch-tschechischen Grenze.
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Auch die Spieler der tschechoslowakischen Eishockeymannschaft kamen in die Mühlen. Zweifache Weltmeister und Olympiasieger im Gulag - eine Pointe des Stalinismus, wie man sie bisher nicht kannte. Es ist die Tragik Modrys, dass er zu seinem Land steht. Er lässt die Gelegenheit, als Profi nach Kanada zu gehen, mehrfach verstreichen, kehrt mit seiner Mannschaft brav von internationalen Turnieren zurück. Die Zeit der schlimmsten Verfolgungen war eben zugleich die Phase der stärksten Aufbau-Euphorie. Bis die Maschinerie der kommunistischen Klassen-Justiz aus ein paar demokratischen Anwandlungen staatsverräterische Verbrechen ableitet und Modry und sein Team exemplarisch verurteilt: zu hohen Gefängnisstrafen und Zwangsarbeit in.
Josef Haslinger: Jáchymov.
Fischer, August 2011.
270 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.