Das mit 328 Seiten dickste Buch unseres Verlagsprogramms ist die Vampiranthologie "Ganz schön bissig ..." - die 33 besten Geschichten aus 540 Einsendungen.
Mia Fredericksen ist Mitte fünfzig, als ihr langjähriger Gatte Boris ihr eröffnet, er habe sich bei seiner wissenschaftlichen Arbeit im Labor in eine weitaus jüngere Kollegin verliebt und wünsche daher eine „Pause“ von der Ehe. Die völlig überrumpelte Mia bricht erst einmal zusammen und verbringt die nächsten Wochen in der Psychiatrie. Trost spenden ihr Tochter Daisy und Schwester Bea, und so beschließt sie, sich nach ihrer Entlassung eine Zeitlang in ihren Heimatort Bonden in Minnesota zurückzuziehen, wo ihre Mutter in einem Seniorenheim lebt. Mia, die schon in New York als Lyrikerin und Dozentin für kreatives Schreiben gearbeitet hatte, bietet in der Kleinstadt einen Lyrik-Sommerworkshop für Jugendliche an, mietet ein Häuschen und schließt neue Freundschaften. Da ist zum Beispiel ihre Nachbarin, eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern, die von ihrem jähzornigen Ehemann tyrannisiert wird. Oder Abigail, eine sehr alte Frau aus dem Heim der Mutter, die sie nach und nach in ihre Lebensgeheimnisse einweiht: jahrelang musste sie ihr Geld mit dem Sticken altmodischer Tischdecken verdienen. Doch heimlich stickte sie ganz andere Bilder: echte Kunstwerke mit surrealistischen und erotischen Szenen. Auch die sieben Mädchen im Teenie-Alter, die sich für den Kurs gemeldet haben, halten Mia in Atem. Als sie beobachtet, wie eine Schülerin von den anderen gemobbt wird, wird sie schmerzhaft an eigene Erlebnisse in der Jugend erinnert. Und immer wieder drängt sich der abtrünnige Boris in ihre Gedanken, während Tochter Daisy ihren Vater in New York heimlich beschattet...
In diesem Roman kommen fast ausschließlich Frauen vor, und der Autorin gelingt es, sie einfühlsam und mit viel Sympathie zu porträtieren. Den sehr jungen Mädchen stellt sie die alten Freundinnen ihrer Mutter gegenüber und verwebt deren Geschichten mit eigenen Erlebnissen und Reflexionen. Das Thema dieses Buches- verlassene Ehefrau findet wieder zu sich selbst- ist an sich wenig originell, wäre da nicht Hustvedts Erzählkunst, die mal heiter-selbstironisch, mal melancholisch-anrührend Personen und deren Alltag beschreibt.
Leider ist die Autorin nicht ganz frei von intellektueller Eitelkeit, und manchmal nervt sie den Leser mit psycho-philosophischem Ballast über Kierkegaard und Freud, die keinen wirklichen Bezug zum Roman haben.
Ein „Frauenroman“ auf sprachlich hohem Niveau, flüssig und in kurzen Kapiteln erzählt, sensibel in der Beobachtung von Menschen und Situationen, nicht ohne Humor, bisweilen etwas prätentiös.
Siri Hustvedt: Der Sommer ohne Männer.
Rowohlt, März 2011.
304 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.