Mia Fredericksen ist Mitte fĂŒnfzig, als ihr langjĂ€hriger Gatte Boris ihr eröffnet, er habe sich bei seiner wissenschaftlichen Arbeit im Labor in eine weitaus jĂŒngere Kollegin verliebt und wĂŒnsche daher eine âPauseâ von der Ehe. Die völlig ĂŒberrumpelte Mia bricht erst einmal zusammen und verbringt die nĂ€chsten Wochen in der Psychiatrie. Trost spenden ihr Tochter Daisy und Schwester Bea, und so beschlieĂt sie, sich nach ihrer Entlassung eine Zeitlang in ihren Heimatort Bonden in Minnesota zurĂŒckzuziehen, wo ihre Mutter in einem Seniorenheim lebt. Mia, die schon in New York als Lyrikerin und Dozentin fĂŒr kreatives Schreiben gearbeitet hatte, bietet in der Kleinstadt einen Lyrik-Sommerworkshop fĂŒr Jugendliche an, mietet ein HĂ€uschen und schlieĂt neue Freundschaften. Da ist zum Beispiel ihre Nachbarin, eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern, die von ihrem jĂ€hzornigen Ehemann tyrannisiert wird. Oder Abigail, eine sehr alte Frau aus dem Heim der Mutter, die sie nach und nach in ihre Lebensgeheimnisse einweiht: jahrelang musste sie ihr Geld mit dem Sticken altmodischer Tischdecken verdienen. Doch heimlich stickte sie ganz andere Bilder: echte Kunstwerke mit surrealistischen und erotischen Szenen. Auch die sieben MĂ€dchen im Teenie-Alter, die sich fĂŒr den Kurs gemeldet haben, halten Mia in Atem. Als sie beobachtet, wie eine SchĂŒlerin von den anderen gemobbt wird, wird sie schmerzhaft an eigene Erlebnisse in der Jugend erinnert. Und immer wieder drĂ€ngt sich der abtrĂŒnnige Boris in ihre Gedanken, wĂ€hrend Tochter Daisy ihren Vater in New York heimlich beschattet...
In diesem Roman kommen fast ausschlieĂlich Frauen vor, und der Autorin gelingt es, sie einfĂŒhlsam und mit viel Sympathie zu portrĂ€tieren. Den sehr jungen MĂ€dchen stellt sie die alten Freundinnen ihrer Mutter gegenĂŒber und verwebt deren Geschichten mit eigenen Erlebnissen und Reflexionen. Das Thema dieses Buches- verlassene Ehefrau findet wieder zu sich selbst- ist an sich wenig originell, wĂ€re da nicht Hustvedts ErzĂ€hlkunst, die mal heiter-selbstironisch, mal melancholisch-anrĂŒhrend Personen und deren Alltag beschreibt.
Leider ist die Autorin nicht ganz frei von intellektueller Eitelkeit, und manchmal nervt sie den Leser mit psycho-philosophischem Ballast ĂŒber Kierkegaard und Freud, die keinen wirklichen Bezug zum Roman haben.
Ein âFrauenromanâ auf sprachlich hohem Niveau, flĂŒssig und in kurzen Kapiteln erzĂ€hlt, sensibel in der Beobachtung von Menschen und Situationen, nicht ohne Humor, bisweilen etwas prĂ€tentiös.
Siri Hustvedt: Der Sommer ohne MĂ€nner.
Rowohlt, MĂ€rz 2011.
304 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.