Unsere Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print bietet die neun besten Geschichten eines jeden Quartals aus unserem Mitmachprojekt. Dazu Kolumnen, Infos, Reportagen und ...
„Der Fall Collini“ von Ferdinand von Schirach beginnt mit einem Mord an einem alten Mann in der Suite eines Berliner Luxushotels. Der Mörder, ein riesenhafter Italiener, trägt die Spuren seines Verbrechens bis zum Foyer, wo er die Rezeption bittet, die Polizei zu rufen. Dann wartet er auf seine Verhaftung. Über sein Motiv schweigt er. Caspar Leinen, ein junger Anwalt, wird am gleichen Tag angerufen und als Pflichtverteidiger bestellt.
Wäre das Mordopfer nicht der Großvater seines besten Freundes gewesen, der auch für Caspar Leinen eine wichtige Bezugsperson war, wäre seine erste Pflichtverteidigung ohne Gewissenskonflikte verlaufen. Bei der Recherche nach dem Mordmotiv gerät er auf eine Spur, die weitreichender ist, als er jemals für möglich gehalten hätte. Begriffe wie Recht, Unrecht, Gerechtigkeit und Gesetz gewinnen eine neue Bedeutung.
Ferdinand von Schirach hat ein Stück Justizgeschichte in einen kurzweiligen Roman verpackt, der förmlich nach einer Verfilmung schreit. Sachlich und zugleich anteilnehmend schreibt er über die Arbeit eines jungen Anwaltes, dessen Kopf voller Ideale ist und der schließlich im Sumpf der Justiz versinkt. Informativ und unterhaltsam zugleich wird das Prozedere eines Mordprozesses ausgebreitet. Da der 1964 in München geborene Ferdinand von Schirach seit 1994 als Anwalt und Strafverteidiger in Berlin arbeitet, werden dem Leser kenntnisreiche Details serviert. Ohne die Effekthascherei amerikanischer Kollegen gelingt es ihm, den Leser zu packen und mit in den Gerichtssaal zu nehmen. Die Thematik dieses speziellen Mordprozesses ist so fesselnd, dass die schemenhafte Skizzierung einzelner Figuren kaum auffällt. Man möchte immer nur weiter lesen und wissen, ob und wenn ja, wie Caspar Leinen das Beste für seinen Mandanten erreichen kann. Dadurch, dass der Autor die geöffnete Büchse der Pandora zeigt, lässt er gezielt einige Fragen offen.
Ob der Idealist Leinen weiter als Anwalt praktizieren kann, ist die kleinste Frage.
Was der Leser mit dem offenbarten Wissen anfangen wird, dürfte um einiges interessanter sein.
Ferdinand von Schirach: Der Fall Collini.
Piper, Septembe 2011.
208 Seiten, Gebundene Ausgabe, 16,99 Euro.