Ebenfalls rothaarig ist die wohlhabende Galeristin Vivienne. Die gebehinderte Frau ist mit dem mehrere Jahre jüngeren John Verbruggen verheiratet, der zusammen mit seinem Partner Pieter Vervaeke die Firma V&V Promotions betreibt. Zunächst interessiert sich Vivienne nur für die beiden Fälle, weil die Opfer wie sie selbst rothaarig sind. Doch als sie ihren Mann verdächtigt, sie zu betrügen und ihn zu beschatten beginnt, beschleicht sie bald ein fürchterlicher Verdacht.
Freunde von blutigen Thrillern mit gehäuften Schockeffekten werden von Lieneke Dijkzeuls Roman wahrscheinlich enttäuscht sein, auch weil die Identität des Killers schon früh gelüftet wird. Dieser Thriller bezieht seine Spannung nicht aus expliziten Schilderungen von Gewaltakten, sondern aus der sorgfältigen Charakterzeichnung seiner Protagonisten und dem Geflecht aus Beziehungen, in das sie sich verstricken. In zwischen Täter, Opfern und Ermittler wechselnden Perspektiven dringt der Leser tief in die Psyche der Hauptfiguren ein.
Die Galeristin Vivienne wird durch die Überfälle aus ihrem wohleingerichteten und beschaulichen Leben mit dem Mann gerissen, den sie mit beinahe hündischer Ergebenheit liebt. Die unsichere, wegen ihrer Gehbehinderung gehemmte Frau muss sich ihren eigenen Ängsten stellen und lernen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Der Täter dagegen ist in seinem Doppelleben gefangen und kann seine Fassade vor der Umwelt kaum noch aufrechterhalten. Mehr und mehr verliert er die Kontrolle über sich selbst und sein Leben.
Wie ein Strudel zieht der für den bedeutendsten niederländischen Krimipreis, den „Gouden strop“, nominierte Thriller Dijkzeuls den Leser mit, immer enger spannt die Autorin das Netz von Gefühlen, Ängsten und Verdächtigungen um ihre Protagonisten, bis es zum schrecklichen, aber unausweichlichen Finale kommt.
Ein Thriller der Spitzenklasse, abseits von gängigen Serienkillerklischees. Absolut lesenswert.
Lieneke Dijkzeul: Vor dem Regen kommt der Tod.
dtv, September 2011.
336 Seiten, Taschenbuch, 14,90 Euro.