Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten- Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
Was, wenn es nicht um Kafka gehen würde? Ich bin mir absolut nicht sicher bei dieser Liebesgeschichte, die am Ende ein Plädoyer für die Hospizbewegung ist.
Wir begleiten Kafka in seinem letzten Lebensjahr auf eine völlig undramatische Weise. Denn wer erwartet denn eine zarte Begegnung mit einer jungen jüdischen Küchenhilfe, namens Dora, die seine letzten Tage begeleitet. Franz, oder der Doktor, je nach dem - nie Kafka - hat Tuberkulose im Endstadium und schleppt sich mitleiderregend durch sein letztes Jahr. Allerdings scheint es so, dass Dora ihm immer wieder Kraft gibt, sich in die Sonne zu setzen oder sogar hier und da eine Geschichte zu schreiben. Wir begleiten Dora und Franz von ihrer ersten Begegnung in der Sommerfrische am Müritzsee bis zu ihren letzten gemeinsamen Tagen im Sanatorium. Bitterkalte entbehrungsreiche Monate in Berlin, Geldnot und Inflation der zwanziger sind auch ein Thema. Aber nie ein Wort aus seinen bestürzend guten Romanen wie Die Verwandlung, Das Schloss oder Der Prozess. Muss ja auch nicht.
Aber wir gebrauchen in der Literatur - vor allen in der Kritik der Selben - oft genug das den Begriff des kafkaesken. Was meint, es gibt eine bedrohliche, undurchsichtige Situation, den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst, fokussiert auf einen armen Wicht, der verstört wirkt oder zerstört wird. Hier eben ein Liebesroman, herzzerreißend wie sich Dora um ihn kümmert - aber alles seltsam weit von mir. Zwiespältig. Was Kumpfmüller natürlich ehrt, ist seine weite, geistige Basis und Kenntnis vom Lauf der Dinge. Sein unbedingt lesenswertes Buch „Nachricht an alle“ ist schon fast grotesk anders als dieses milde Beziehungsdrama und hat mich wirklich tief bewegt.
Michael Kumpfmüller: Die Herrlichkeit des Lebens.
Kiepenheuer & Witsch, August 2011.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,99 Euro.