Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten- Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
Medizinstudent Bastian lässt sich von der hübschen Sandra auf einen Mittelaltermarkt abschleppen und betritt damit eine fremde Welt. Sandras Freunde tragen „Gewandung“, reden merkwürdig und beherrschen den Schwertkampf. Sie klärt ihn auf: Die ganze Clique gehört zur Rollenspielgruppe „Saeculum“. Regelmäßig treffen sie sich zu Live Action Rollenspielen und tauchen in das vierzehnte Jahrhundert ein. Bastian ist entzückt, als ihm klar wird, dass er an Pfingsten mitkommen darf. Paul, der Anführer der Gruppe, ein charismatischer junger Mann, scheint ihn auch auf Anhieb zu mögen.
Vier Wochen später brechen sie auf, in ein entlegenes Waldstück, fernab jeder Zivilisation. Alles Moderne müssen sie abgeben – Uhren, Bastians Brille, natürlich auch die Mobiltelefone. Es warten verschiedene „Quests“ – Aufgaben auf sie.
Zur Gruppe gehören neben anderen die abweisende Iris, Georg, der eifersüchtig über seine schöne Freundin Lisbeth wacht, und Doro. Doro, die sich für eine Hexe hält. Und sie ist entsetzt, als sie erfährt, wo das Spiel stattfinden soll: Das auserkorene Waldstück ist verflucht! Sie beschwört die Gruppe umzukehren, bevor ihnen etwas zustoßen kann, doch die Mitspieler lachen sie aus.
Am Anfang haben sie viel Spaß dabei, sich auf einer Lichtung gemütlich einzurichten und die ersten Quests zu bestehen. Doch bald geschehen merkwürdige Dinge. Unheimliche Geräusche stören die Nacht, Gegenstände verschwinden. Greift der Fluch der Vergangenheit mit eisigen Fingern nach ihnen?
Wenn Sie das Buch in die Hand nehmen, sagen Sie am besten gleich alle Verabredungen ab ...
Ursula Poznanski legt nach ihrem erfolgreichen Thriller „Erebos“ wieder einen rasanten Pageturner für durchlesene Nächte vor. Geschickt vermischt sie Thrillerelemente mit Übersinnlichem und einer Prise Horror. Den sympathischen Hauptfiguren, allen voran Bastian und Iris, folgt der Leser gern in den finsteren Wald. Auch wenn man keine Ahnung von Live Action Rollenspielen hat, kommt man mit den Spielelementen gut zurecht, ohne dass die Autorin langwierig erklärt - es ergibt sich aus der Handlung und den lebendigen Dialogen. Teils skurrile, unheimliche oder witzige Nebenfiguren tragen das Ihre dazu bei. Und wie bei einem Krimi sind Hinweise versteckt, die sich erst im Nachhinein deuten lassen, sorgen überraschende Wendungen für eine durchgehend hohe Spannung. Saeculum ist für eine etwas ältere Leserschaft gedacht als der Vorgänger Erebos, und schreit in meinen Augen genauso sehr danach, verfilmt zu werden.
Ein Extralob gebührt dem Verlag für die Aufmachung des Buches. Das Cover in strengem Schwarz auf Weiß bildet Scherenschnitte kahler Bäume ab, die Schrift ist erhaben und lädt zum Darüberstreichen ein, der Buchschnitt wie auch die Innenseiten der Broschurklappen sind tiefschwarz - wenn das Buch auf dem Tisch liegt, könnte es ein geheimnisvolles Kästchen sein. Unheimlich und verlockend, zieht es in öffentlichen Verkehrsmitteln alle Blicke auf sich.
Besondere Einschübe mit weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund zeigen Rückblenden, die sich erst am Schluss genau deuten lassen und immer wieder zum Zurückblättern animieren. Das Buch ist ein Gesamtkunstwerk und so lange Verlage solche wunderschönen »pBooks« erschaffen, brauchen sie sich vor eBooks nicht zu fürchten.
Ursula Poznanski: Saeculum.
Loewe, November 2011.
496 Seiten, Taschenbuch, 14,95 Euro .