Vermutet man aufgrund des Klappentextes noch eine humorvolle Geschichte, wird diese Annahme beim Lesen der ersten Seite korrigiert.
Man stellt sich die Frage: Habe ich hier doch einen Krimi oder Psychothriller vor mir liegen?
Beides ist falsch! Doch dazu später mehr.
Loa, zweifache alleinerziehende Mutter, bleibt mit einer Reifenpanne vor einem Haus stehen, in dem Sveinn wohnt, seines Zeichens Puppenmacher. Nicht irgendein Puppenmacher. Nein, Sveinn stellt Sexpuppen her und lebt ganz gut davon.
Seit ein paar Tagen wird er jedoch von obszönen Anrufen attackiert. Die anonyme Anruferin gibt ihm die Schuld am Tod ihres Vaters, der ein Kunde von Sveinn war.
Als Sveinn Loa anbietet, den Reifen zu wechseln und sie auf einen Wein zu sich ins Haus einlädt, hat er sie im Verdacht und will der Sache auf den Grund gehen. Dann nimmt die Geschichte ihren Lauf.
Loa schläft erschöpft und betrunken ein, während ihr Helfer das Auto wieder fahrtüchtig macht, und wacht am nächsten Morgen auf. Durch Zufall entdeckt sie Sveinns Werkstatt und entscheidet spontan, eine dieser Puppen mitgehen zu lassen.
Ihr Ziel: Ihre magersüchtige Tochter zurück ins Leben zu holen.
Als Sveinn den Diebstahl entdeckt und auch noch einen Drohbrief vor seinem Haus findet, steht für ihn fest: Loa ist die Anruferin.
Er schafft es, sie ausfindig zu machen, und fährt dort hin, um sie zur Rede zu stellen und sein Eigentum zurückzuholen.
Bei Loa angekommen, herrscht eine bedrückende Stimmung. Alle Anwesenden sind mit den Nerven am Ende, da Loas kranke Tochter verschwunden ist.
Bei den Hauptprotagonisten handelt es sich um vereinsamte Menschen, die den sozialen Kontakt zu anderen verloren haben. Zu sehr haben sie sich vom Leben distanziert, um sich ihrer Bestimmung zu widmen.
Als sie aufeinandertreffen, wird schnell klar, dass beide Sympathie füreinander empfinden, jedoch nicht fähig sind, sich in dieser, für sie neuen und dadurch angespannten Situation aufeinander einzulassen.
Gudrún Eva Minervudóttir hat eine Geschichte geschrieben, die unter die Haut geht.
Nicht durch Kitsch und falsche Sentimentalität, sondern durch die leisen Töne ihrer schönen Sprache. Nach und nach lässt sie uns in die Seelen der beiden Hauptprotagonisten sehen und mit ihnen fühlen. Es wird abwechselnd aus der Sicht von Loa und aus der Sicht von Sveinn erzählt. Sie spiegeln sich gegenseitig und man begreift dadurch die Beweggründe der beiden.
Eine wirklich sehr einfühlsame zwischenmenschliche Geschichte, die zum Nachdenken anregt.
Gudrún Eva Minervudóttir: Der Schöpfer.
btb, August 2011.
304 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.