Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten- Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
Kann man seinen eigenen Erinnerungen trauen oder biegt man sich die Wahrheit im Nachhinein nach seinem Gusto zurecht? Mit dieser Frage befasst sich der englische Autor Julian Barnes in seinem Buch "Vom Ende einer Geschichte". 2011 erhielt er dafür den renommierten Booker-Prize.
Der Ich-Erzähler Tony Webster verlebt eine langweilige bis durchschnittliche Jugend in den 60er Jahren. Er trifft sich mit seinen Freunden Alex und Colin. Die drei reden über Sex und haben wenig Lust auf die Schule. Bald kommt Adrian neu hinzu. Er ist gebildet und eloquent, so dass Tony permanent das Gefühl hat, ihm unterlegen zu sein. Auch mit Tonys erster Liebe Veronica läuft nicht alles rund: Sie ist launisch, der körperlichen Liebe wenig zugetan und behandelt ihn von oben herab. Als besonders schlimm und demütigend hat er später einige Tage im Hause von Veronicas Eltern in Erinnerung.
Doch dann - Tony ist längst im Rentenalter -,fällt ihm etwas in die Hände, das seine in Jahrzehnten verfestigten Meinungen zu den Protagonisten seiner Jugend radikal auf den Kopf stellt, so dass er weitere Nachforschungen anstellt. Sie fördern Überraschendes zutage.
Julian Barnes, geboren 1946, lässt seiner Hauptfigur viel Raum für Reflexionen und andere philosophische Betrachtungen, so dass nicht eine irgendwie geartete Handlung im Zentrum dieses Romans steht, sondern das Innenleben dieser Figur. Das wirkt zuweilen eine Spur zu langatmig und bremst etwas den Drive des Romans. Anderes dagegen, wie Tonys Beziehung zu Veronica, die viel Potenzial geboten hätte, wirkt an einigen Stellen unfertig - fast wie der nur hinskizzierte Entwurf für eine viel längere Geschichte. Auch bleiben am Ende der Lektüre (zu) viele Fragen offen. Insgesamt aber dennoch vor allem wegen der beinahe philosophischen Grundfragestellung ein interessantes Buch.
Julian Barnes: Vom Ende einer Geschichte.
Kiepenheuer & Witsch, Dezember 2011.
182 Seiten, gebundene Ausgabe, 18,99 Euro.