Vor zwei Jahren ist Carina Kyreleis, Knochen- und Mumienexpertin, vor ihrem übermächtigen Vater Matte nach Mexiko geflohen. Unter anderem, weil er seinen Posten als Leiter der Mordkommission dazu ausgenutzt hat, ihren Freund zu überprüfen. Doch jetzt hat man ihr, die als Rechtsmedizinerin auf Gesichtsrekonstruktion spezialisiert ist, eine interessante Stelle in München angeboten. Wird das gutgehen, sie wieder in seiner Nähe, kann sie ihn davon abhalten, sich aufs Neue in ihr Leben einzumischen?
Kaum ist sie angekommen, da wird ihr Vater zu einer Leiche gerufen, die Kinder auf dem Spielplatz gefunden haben. Die liegt schon länger dort - und ihr fehlt das Gesicht. Bald wird eine weitere Frau überfallen und auf die gleiche Art verstümmelt. Ist hier ein Serienkiller unterwegs? Einer, der es auf die Gesichter seiner Opfer abgesehen hat? Bevor sie auch nur die Zeit hat, ihre leere Wohnung einzurichten, sucht Carina zusammen mit Matte nach dem Täter, und versucht gleichzeitig, ihr durcheinandergeratenes Leben neu zu ordnen.
Eine junge Rechtsmedizinerin als Hauptperson und die Mordkommission als Nebenfigur, das ist eine erfrischend andere Konstellation und erspart dem Leser die üblichen Alkohol- und Beziehungsprobleme des Ermittlers, die sich heutzutage inflationär in Thrillern ausgebreitet haben.
Aber das ist noch nicht alles. Neben der Krimihandlung und den gut recherchierten Details der Gesichtsrekonstruktion geht ein Nebenhandlungsstrang bis weit in die Vergangenheit zurück, zu einer Zeit, in der Stasiagenten, so genannte „Romeos“ westdeutsche Mädchen anbaggerten und als Spitzel anwarben. In kurzen Einschüben fügt sich diese alte Geschichte sowie ein reales, nie ganz aufgeklärtes Attentat in die aktuelle Mordserie ein und auch, wenn der Täter dem Leser im Lauf des Romans bekannt ist, wird erst am Ende ersichtlich, wie alles genau zusammenhängt.
Persönliche Traumata und Probleme der Hauptpersonen sind nicht überdosiert, sondern glaubhaft in die Handlung eingebunden und die Spannung bleibt bis zum Schluss auf hohem Niveau. Ein paar lose Fäden hätten noch besser aufgelöst werden können - so verschwindet eine Nebenfigur (der Tierarzt) praktisch, nachdem sie ihre Funktion erfüllt hat, da dieser Roman jedoch einen Serienauftakt darstellt, hege ich die Hoffnung, dass dieser Teil der Geschichte weitererzählt wird.
Dies ist zwar das Krimidebüt der Autorin Stephanie Fey - nicht aber ihr erster Roman. Unter dem Namen Rebecca Abe ist sie für ihre Werke „Das Gedächtnis der Lüge“ und „Im Labyrinth der Fugger“ bekannt, daneben illustriert sie auch Bücher.
Sehr gelungen fand ich das schlichte schwarz-weiße Buchcover. Und wer sich fragt, was der Vogel soll - nun, das ergibt sich aus der Geschichte.
Auf die Fortsetzung bin ich gespannt.
Stephanie Fey: Die Gesichtslosen.
Heyne, November 2011.
368 Seiten, Taschenbuch, 8,99 Euro.