Drei Personen erzählen je einen Tag aus ihrem Leben, ihre Geschichten sind miteinander verwoben. Da ist zunächst der psychisch labile Pizzabote Tom, der morgens neben einer fremden Frau aufwacht und nicht mehr weiß, was am Vorabend passiert ist. Langsam dämmert ihm, dass er den Nachbarn der Frau niedergeschlagen hat. Tom flieht in Socken durch das winterliche Leipzig, er will zurück zu seiner Freundin San, doch je länger er in der Stadt herumirrt, desto mehr verliert er jeden Bezug zur Realität. Die zweite Story bestreitet Veit, ein straffälliger Jugendlicher, der ebenfalls auf der Flucht ist und von einem Lastwagenfahrer in dessen Heimatdorf mitgenommen wird. Dieser ist der Vater von San, in die sich Veit alsbald verguckt. Doch dann findet er heraus, dass Tom und San Halbgeschwister sind, ein ganzes Dorf wird aufgemischt und Veits eigene Familienkonflikte brechen hervor. Er ist auf der Suche nach seinem eigenen Vater, den er nie kennen lernen durfte. Der dritte Text ist aus der Perspektive der Frau geschrieben, mit der Tom die Nacht verbracht hat. Babs Stanebein ist Mitte Vierzig und arbeitslos, und beklemmend realistisch erlebt der Leser mit, wie sie immer mehr in Langeweile, Antriebsarmut und Alkoholismus abgleitet. Der Gang zum Arbeitsamt wird zum Kraftakt und zur Odyssee durch die verschneite Stadt..
Claudia Klischat, Jahrgang 1970, kommt aus München und studierte am Leipziger Literaturinstitut. Ihr erster Roman zeigt Momentaufnahmen einer Gesellschaft, in der sich familiäre und soziale Strukturen immer mehr auflösen und den Einzelnen hilflos zurücklassen. Ihre Figuren sind allesamt Underdogs, die gerne ein bisschen Glück für sich retten würden, aber ständig dem Absturz entgegentaumeln. Die Autorin nimmt konsequent die Sichtweise der drei Protagonisten ein, gibt denen eine eigene Sprache, die sonst eher "sprachlos" sind. Dies erzeugt beim Lesen eine Intensität, die zuweilen gewöhnungsbedürftig ist. Auf dem ersten Blick lesen sich die Texte leicht, doch sind sie auch irritierend und verstörend- wenn die Leute immer mehr in Wahnvorstellungen und fixe Ideen abgleiten, die naiv-bescheidenen Wünsche einer einfachen Frau auf die tristen Realität des Nachwendealltags treffen und persönliche Katastrophen aus der Vergangenheit in die Gegenwart hineinwirken. Sprachgewaltig und bisweilen atemlos mäandert die Autorin durch die Gedankenwelten ihrer Figuren. Kein leichtverdauliches Buch, das man am Ende befriedigt aus der Hand legt. Es beschäftigt einen weiter, und dies ist sicher beabsichtigt in Zeiten des Sozialabbaus.