Die halbwĂŒchsige âGrete Mindeâ hat es als Halbwaise mit dem Aussehen einer Spanierin Anfang des 17. Jahrhunderts im protestantischen TangermĂŒnde nicht leicht: Der alte Vater steht mit einem Bein im Grab und kann ihr kaum noch Schutz vor dem geizigen Gerdt, seinem Sohn aus erster Ehe und dessen missgĂŒnstigen Ehefrau Trud bieten. WĂ€re da nicht der Nachbarssohn Valtin, hĂ€tte Grete schon als Kind ihren Lebensmut verloren. Beide beschlieĂen ein paar Jahre nach dem Tod von Gretes Vater vor den Drangsalierungen ihrer Familien zu fliehen und steuern auf eine Tragödie zu.
Theodor Fontane hatte diese Novelle, die von den Kritikern sehr unterschiedlich bewertet worden ist, nach seinem Roman âVor dem Sturmâ 1880 veröffentlicht. Dem Autoren wurde vorgeworfen, seine moderne Psychologisierung passe nicht zu dem Balladenstil. Vielleicht lag die Kritik auch nur darin begrĂŒndet, eine einseitig ĂŒberlieferte Tragödie neu zu erzĂ€hlen. SchlieĂlich stellt er sich öffentlich auf die Seite einer jungen Frau, der viel Ăbles angetan worden ist. Ob sie tatsĂ€chlich schuldig geworden ist, ist bis heute nicht eindeutig geklĂ€rt. Ohne zu bewerten, zeigt er die Anfeindungen zwischen Katholiken, Lutheranern und Reformierten im alltĂ€glichen Leben, in dem ein Pfarrer wegen der unklaren religiösen Herkunft eines Toten die Bestattung im geweihten Boden verweigert.
Der Sprachstil ist nicht immer einheitlich, wenn Theodor Fontane teilweise einen alten Sprachduktus oder Plattdeutsch in seine Novelle einbaut. Die herzergreifende Geschichte erhĂ€lt auf diese Weise eine historische Patina. Insgesamt ist der Szenenaufbau konzentriert und lĂ€sst viel Freiraum fĂŒr die Phantasie des Lesers, ohne dass der Spannungsaufbau darunter leidet. Wer gerne historische Romane liest und Wert auf AuthentizitĂ€t legt, stöĂt bei âGrete Mindeâ auf eine Fundgrube, die der Verlag freundlicherweise noch mit einem ergiebigen Anhang ergĂ€nzt.