Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
Die California Street durchzieht das Chicagoer Viertel West Rogers Park, und jeder, der östlich der Straße wohnt, würde sie gerne in Richtung Westen „überqueren“, denn dort wohnen die wohlhabenden Bürger. Ärzte und Therapeuten wie das Ehepaar Rovner mit ihren Teenager-Kindern, der zickigen Lana und Larry, der von einer Karriere als jüdischer Rockstar träumt. Ihre Wege kreuzen sich mit denen zweier Familien auf der Ostseite: Da sind der gutmütige Witwer Charlie Wasserstrom mit seinen beiden Töchtern und die ebenfalls allein erziehende Deirdre Wills mit dem cleveren und kreativen Sohn Muley. Vier Jahre lang -1979 bis 1983 - begleitet der Autor seine Protagonisten durch den Alltag. Jedes Kapitel wird abwechselnd aus der Perspektive eines Familienmitgliedes erzählt. Eigentlich passiert nichts Spektakuläres. Pubertäre Liebeleien, Ehekrisen, Eltern und Kinder, Familienfeste. Trotzdem gelingt es dem Autor, den Leser über fast 580 Seiten zu fesseln. Fällt der Einstieg zunächst etwas schwer, weil man sich erst mit den vielen Figuren zurechtfinden muss, so gewinnen diese nach und nach an Kontur und werden immer vertrauter. Langer gestaltet sie so lebendig und facettenreich, dass man das Gefühl hat, sie aus der eigenen Nachbarschaft zu kennen. Gerade ihre Normalität macht sie sympathisch. Es sind die kleinen Tragikomödien des Alltags, von denen der Autor mit leichter Ironie, aber immer dicht dran an seinen Geschöpfen, erzählt. Ein Buch, das man nicht so schnell aus der Hand legt.
Da fast alle Romanfiguren Juden sind, ist es löblich, dass in einem Glossar im Anhang viele Begriffe aus dem Jiddischen und Hebräischen erklärt werden.
Adam Langer: Crossing California.
Rowohlt-Taschenbuch, Reinbek, Oktober 2006.
592 Seiten, Taschenbuch.