John Boyne: Das spÀte GestÀndnis des Tristan Sadler
Der einundzwanzigjĂ€hrige Tristan Sadler fĂ€hrt im September 1919 mit einem BĂŒndel Briefe nach Norwich. Hier will er sich am folgenden Tag mit Marian, der Schwester seines verstorbenen Regimentskameraden und Freund Will Bancroft, treffen und ihr die Briefe ĂŒbergeben, die sie ihrem Bruder ins Ausbildungslager nach Aldershot und an die Front nach Deutschland geschrieben hat. Bei seiner Ankunft in Norwich ist Tristans Zimmer noch nicht hergerichtet und er erfĂ€hrt, dass der vorige Gast, ein unauffĂ€lliger GeschĂ€ftsmann, einen jungen Mann mit aufs Zimmer genommen hat und von diesem mit einem Messer angegriffen worden ist. Trotz der skandalösen UmstĂ€nde bezieht Tristan das Zimmer.
Seine Begegnung mit Wills Schwester am nĂ€chsten Tag verlĂ€uft gĂ€nzlich anders als erwartet. Marian Bancroft reagiert zunĂ€chst verstört auf Tristans Anwesenheit und erklĂ€rt ihm spĂ€ter, dass Will am Ende der Zeit im Ausbildungslager in einem Brief behauptet hat, Tristan sei verstorben. Nachdem der erste Schock auf beiden Seiten abgeklungen ist, berichtet Tristan ĂŒber seine gemeinsame Zeit mit Will, ĂŒber die Schikanen des Ausbilders, den nicht aufgeklĂ€rten Tod ihres Kameraden Arthur Wolf und ihren gemeinsamen Einsatz an der Front in Deutschland.
âDie Ă€ltere Dame mit dem Fuchs um den Hals, die mir im Zugabteil gegenĂŒbersaĂ, erinnerte sich an einige Morde, die sie ĂŒber die Jahre begangen hatte.â
So vielversprechend beginnt John Boynes neuer Roman âDas spĂ€te GestĂ€ndnis des Tristan Sadlerâ. Ein wirklich starker erster Satz, der neugierig macht und den Leser sofort in die Geschichte hineinzieht. Die Begebenheit mit dem Zimmer und das GestĂ€ndnis Marians, dass sie Tristan fĂŒr tot gehalten hat, steigern die mysteriöse AtmosphĂ€re noch. Leider wird im Verlauf des GesprĂ€chs zwischen Marian und Tristan allzu schnell klar, worauf die Geschichte hinauslĂ€uft. Die anfĂ€ngliche Spannung verpufft in dem umstĂ€ndlichen und langwierigen Dialog, der immer wieder von Erinnerungen Tristans unterbrochen wird.
Was bleibt, ist eine durchschnittliche und reichlich vorhersehbare Geschichte ĂŒber Mut und Feigheit, Freundschaft und Liebe, Ehre und Schande. Die Personen und ihre Motive bleiben blass und vorhersehbar, weil Boyne seinen Helden zu abgeklĂ€rt und distanziert berichten lĂ€sst. Nach dem groĂartigen âDer Junge im gestreiften Pyjamaâ ist dieser Roman Boynes eine EnttĂ€uschung. Einzig die elegante und geschliffene Sprache des Autors tröstet ĂŒber den blassen Helden und den vorhersehbaren Plot hinweg.
John Boyne: Das spÀte GestÀndnis des Tristan Sadler.
Arche, MĂ€rz 2012.
360 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.