Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
Evie ist gerade einmal 10 Jahre alt, als ihre Mutter aufgrund einer schweren Krankheit stirbt. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, hat sich ihr Vater auch noch in den Kopf gesetzt, Michigan zu verlassen, um am der Ostküste eine verdorrte Apfelplantage zu retten – weit weg von Mamas Grab! Wie kann er ihr das nur antun? Nur wiederwillig folgt das Mädchen seinem Vater und lernt vor Ort auf einem Friedhof Alex kennen, der vor einer Woche verstorben ist. Ja, er erzählt ihr, dass er ein Geist sei! Unglaublich, denkt sie, freundet sich aber allmählich mit dem Jungen an. Gemeinsam decken sie das Geheimnis des Apfelgartens auf …
Kelly Going stellt in ihrem Roman Freud und Leid nebeneinander. Zum einen hat „Evies Garten“ etwas mit Verlust zu tun. Evies Mutter ist gestorben, ebenso Alex und auch Eva, die Schwester von Maggie, einer Verwandten des alten Hauseigentümers, ist verschollen und für tot geglaubt. In jedem der drei liegt tiefe Trauer, unbeschreibliche Traurigkeit. Diesem tiefen Gefühl stellt die Autorin die Magie der Fantasie gegenüber. Sie lässt Evie und ihre Mutter, als diese noch lebt, Geschichten mit magischen Figuren erzählen, lässt sie von Gärten schwärmen, die ein jeder Mensch sich baut. Die Mutter nahm Evie vor ihrem Tod das Versprechen ab, dass Evie einmal selbst sich einen solchen Garten bauen würde. Dass sie all die Dinge in den Garten stellen würde, die ihr etwas bedeuten, und dass sie ihn mit all den schönen Blumen der Welt schmücken würde.
Stück für Stück entsteht eine fantastische Parabel zum Garten Eden, zu Adam und Eva. Denn auch Evie wird in Versuchung geführt und bringt andere – wie Eva zuvor – in Gefahr. Die Autorin setzt diese Intention so geschickt in Szene, dass sogar schon junge Kids im Alter von 11 Jahren Erstaunliches in diesem Buch entdecken werden. Es ist aber gleichfalls ein Buch für Erwachsene, solche mit trauernden Kindern und jene mit Kindern, die über sich selbst hinauswachsen können, denen man weit mehr zutrauen kann, als man es bisher getan hat.
Nicht zuletzt berührt diese kleine Geschichte, die von so vielem mehr als nur einem Apfelgarten erzählt. Da gibt es zum Beispiel den Vater, dessen Tochter in Trauer lebt und der nicht weiß, wie er ihr helfen soll, ja nicht einmal weiß, wie er angemessen mit ihr reden soll. Es ist anrührend zu lesen, wie diese beide, eigentlich in Trauer verbunden, wieder zueinander finden, nur weil der Vater seiner Tochter zu vertrauen beginnt und sich dem öffnet, was jenseits seiner eigenen Vorstellungskraft liegt. „Evies Garten“ ist so ein Buch, das einem einen neuen Horizont öffnen kann. Ein Kinderbuch, das auch Erwachsene ganz unbedingt lesen sollten! Es ist zauberhafte Lektüre, die hilft Hoffnung zu schöpfen und einen Blick zu bekommen für die kleinen, schönen Dinge des Lebens.
K. L. Going: Evies Garten.
Baumhaus Verlag, Mai 2012.
208 Seiten, Gebundene Ausgabe, 12,99 Euro.