Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
Der Buchtitel "Vom Schlafen und Verschwinden" drückt treffend die zentrale Thematik von Katharina Hagenas neuem Roman aus.
Die Protagonistin Ellen ist Schlafforscherin und kommt selbst nicht zur Ruhe. "Vielleicht ist das, was wir Leben nennen, ein Traum, und das, was wir Traum nennen, das Leben", philosophiert sie.
In einer durchwachten Nacht lässt sie ihr Leben Revue passieren. Wir erfahren von ihrer Kindheit und Jugend, die sie in Grund bei Karlsruhe verbracht hat. Dort, in den Rheinauen, ist sie häufig zusammen mit Andreas unterwegs gewesen. Jetzt schweigt Andreas sich aus, will nicht mehr sprechen - weder mit ihr, noch mit den anderen Dorfbewohnern.
Als Ellen im Alter von zwanzig Jahren von ihrem Freund Lutz schwanger wurde, ist sie nach Irland geflüchtet. Auch Lutz ist aus Grund verschwunden und wurde nie mehr gesehen. In Irland lernte Ellen den Musiker Declan kennen, der ihr kleines Mädchen Orla wie sein eigenes Kind angenommen hat.
Nach ihrer Trennung von Declan kommen Ellen und Orla zurück nach Grund. Ellens dement gewordene Mutter Heidrun liegt im Wachkoma. - Wie in ihrem Bestsellerroman "Der Geschmack von Apfelkernen" greift Katharina Hagena dieses Krankheitsbild erneut auf.
Joachim, ihr Vater, gründet einen Chor, um Dowland-Lieder zu proben. Immerzu singt der Chor nur das Lied "Komm schwerer Schlaf", das letztlich Heidrun gewidmet ist.
Die wenigen Chormitglieder sind Menschen, mit denen Ellens Leben mehr als sie ahnt, verknüpft ist. Außer Ellen, Joachim und Orla, singen Andreas mit, der junge Doktorand Benno und die alte Marthe Grieß. Mit Benno geht Ellen eine Liaison ein. Benno selbst verrennt sich in die Spurensuche eines Desserteurs über den er seine Doktorarbeit schreibt und verliert sich dabei selbst. Marthes Geschichte ist eng mit der von Ellen verwoben, nur wissen die beiden Frauen das nicht. Marthes Aufzeichnungen geben ihre teilweise wirren Gedanken preis. In kursiv gehaltenen Einschüben ergänzen sie Ellens Geschichte und fachen die Spannung an.
Man kann sich nicht sattlesen an diesem klugen Buch mit seiner vielschichtigen Ausdrucksfülle und den herrlichen Alliterationen. Katharina Hagenas wunderbare Phantasie, ihre poetischen Sprachbilder und die subtilen Naturbeschreibungen schaffen eine dichte Atmosphäre mit Sogwirkung.
Katherina Hagena: Vom Schlafen und Verschwinden.
Kiepenheuer & Witsch, September 2012.
281 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,99 Euro.