Zunächst mal das Positive vorweg: Ich finde den zweiten Band von Folletts Saga des 20. Jahrhunderts deutlich gelungener als den ersten. Zwar ist es ihm auch hier nicht gelungen, Typisierungen zu vermeiden - wahrscheinlich wollte er das auch gar nicht -, zwar ist auch dieser Roman voll von bekannten Klischees - wie die verwöhnte Ameri-kanerin und den ewig guten Sozialisten -, aber in diesem Roman fügen sich die Cha-raktere deutlich besser in die Gesichte als im letzten Roman. In diesem zweiten Band werden die Familiengeschichten Europas fortgeschrieben, die dem Leser bereits in »Sturz der Titanen« begegnet sind. Die nächste Generation ist naturgemäß nicht mit allem einverstanden, was ihre Väter für gut und richtig hielten, aber im angesicht des großen Konfliktes der Welt halten sich die Familienkonflikte in Grenzen.
Die Handlung setzt 1933 ein, kurz nach Hitlers Machtergreifung und endet ein ganzes Stück nach Kriegsende. Handlungsorte liegen au der ganzen Welt, die Handlung hier zusammenzufassen, würde wenig Sinn machen, zumal jeder wissen müsste, wie der Zweite Weltkrieg ausging und warum Japan kapituliert hat. Spannend an dem Roman sind also nur die Einzelschicksale und die unterscheiden sich wohltuend von den Romanen, die sonst diese Zeit beschreiben. Da gibt es die zunächst zickige Amerikanerin, die Engländer, die gegen Faschismus im eigenen Land ankämpfen, und zeigen, wie verführerisch er sein kann, wenn man das Ende nicht kennt. Es gibt gute Deutsche, aber auch Mitläufer und Überzeugungstäter - kurz gesagt ein Potpourri von deutlich machenden Typisierungen. Zunächst haben mich diese starken Typisierungen gestört, lassen sie doch zu sehr an bekannte Klischees denken. Wenn man jedoch bedenkt, was der Autor mit dieser Trilogie beabsichtigt: Die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu erzählen, dann funktioniert das vermutlich nicht ohne Typisierungen. Es geht hier ja eben nicht darum, Charaktere zu entwickeln, die Handlungsalternativen zu dem aufzeigen, was die große Masse getan hat, sondern es geht gerade darum zu beschreiben, was die Masse getan hat. Vielleicht ist es noch ein bisschen früh für ein solches Werk, vielleicht hätte Follett sich besser an dem Jahrhundert davor versucht, vielleicht wird diese Trilogie aber auch einmal wichtig für die Nachwelt.
Erzählt ist das Ganze in der gewohnt spannenden Follett-Art, der nie eine Gelegenheit auslässt, den Leser in Höhen und Tiefen zu stürzen und seine Protagonisten in Ab-gründe und Gefahren. Historisch sauber recherchiert, soweit das so dicht an der Zeit-geschichte möglich ist, hat der Autor einen 1000-Seiter für spannende Stunden und lange Winterabende vorgelegt.
Ken Follett: Winter der Welt.
Bastei Lübbe, September 2012.
1024 Seiten, Gebundene Ausgabe, 29,99 Euro.