Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
Ere und minne (die Ehre und die Liebe) und die daraus resultierende IdentitĂ€t â darum geht es in diesem Ur-alt-Schinken Hartmanns von Aue (Vorsicht: Paarreim auf mehreren hundert Seiten!).
Iwein bricht also mit Freund und Vorzeigeritter Gawein zu neuen Abenteuern auf, denn er will ja nicht wie Erec enden. Laudine, seiner Angetrauten, gefĂ€llt das natĂŒrlich gar nicht, aber sie lĂ€sst ihn ziehen- jedoch nicht, bevor sie ihm das Versprechen abgenommen hat, nach einer Jahresfrist wieder zurĂŒck zu kommen - was Iwein vor lauter Ehre und Abenteuer jedoch versĂ€umt. Lunete, die Vertraute Laudines, welche die Ehe zwischen Iwein und Laudine âgestiftetâ hat, klagt ihn daraufhin vor dem Artushof an und Iwein, der alles richtig machen wollte, verliert nicht nur jegliches Ansehen und jede Ehre, sondern ebenfalls jegliche Verbindung zu der Dame, die er liebt. Derart grĂ€mt er sich ob dieses Verlustes, dass er sich als Einsiedler in den Wald zurĂŒckzieht und seinen Verstand, seine IdentitĂ€t verliert.
Erst mit Hilfe einer Wundersalbe der Dame von Narison, die ihn im Wald findet, erinnert er sich zurĂŒck und versucht nun, wieder ein guter Ritter zu sein.
Er reitet von Abenteuer zu Abenteuer, bekĂ€mpft Drachen, Zwerge und Riesen und befreit einige Jungfrauen. Immer wieder wird ihm eine neue Landesherrschaft angeboten, doch er lehnt ab und ist Laudine treu, obwohl sie ihn verstoĂen hat. SchlieĂlich trifft er wieder auf Lunete, die hingerichtet werden soll, weil sie eine nicht unmaĂgebliche Rolle bei der VermĂ€hlung bzw. (in Unehrenhaftigkeit endenden) ZusammenfĂŒhrung von Iwein und Laudine gespielt hat. Iwein verspricht Lunete fĂŒr sie beim morgigen Gerichtskampf anzutreten und sie somit von jeglicher Schuld reinzuwaschen. In diesem Kampf agiert Iwein, der nun ein anderer, nĂ€mlich der Ritter mit dem Löwen ist (der Löwe ist sein Erkennungszeichen und treuer Begleiter, seit er ihn aus den Klauen des Drachen befreit hat), unerkannt gegen seinen treuen Freund Gawein. Als keiner der Beiden den anderen besiegen kann, wird Gawein schnell klar, dass sein Gegner der edle Iwein sein muss. Iwein gibt sich zu erkennen und der Artushof nimmt ihn mit offenen Armen an, denn inzwischen ist er durch all seine tugendhaften Taten wieder sehr ehrenhaft.
Doch was hilft dem lieben Iwein alle Ehre der Welt, wenn seine Frau ihn noch immer verstoĂen hat und nichts von ihm wissen will? So reitet er zu ihr und gewinnt sie- wieder durch eine pfiffige Intervention Lunetes (und siehe da: wieder geht es um Ehre und ein Versprechen, das Laudine gibt, ohne dass sie ahnt, dass sie da gerade verspricht, ihrem Mann zu vergeben)- schlieĂlich zurĂŒck.
Bemerkenswert, wie vielschichtig, gut durchdacht und spannend die Literatur um 1200 bereits war.
Trotz der Reimform, die ein bisschen gewöhnungsbedĂŒrftig ist, ein sehr empfehlenswerter Lesestoff.