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Jim Thompson (James Myers Thompson), geboren 1906 in Oklahoma, war Glücksspieler, Sprengstoffexperte, Ölarbeiter und Autoschmuggler. Seit den 50er Jahren konnte er endlich vom Schreiben seiner Bücher leben, verfasste Drehbücher für Hollywood und arbeitete zum Beispiel mit Stanley Kubrick.
Der Protagonist des Romans „Blind vor Wut“, Allan Smith, ist der Sohn einer weißen amerikanischen Prostituierten und eines unbekannten schwarzen Mannes. Er erfährt früh, was es heißt, „Mulatte“, weder schwarz noch weiß, zu sein. Jim Thompson mutet dem Leser mit dieser Figur alle Grausamkeit eines missglückten Lebens zu: Rassismus, Inzest, Schwulenhass, Frauenhass, Geisteskrankheit, Drogen und Tod begleiten das Leben des intelligenten, zerstörerischen Allen. Der kämpft gegen alles und jeden: Gegen die lieblose Mutter, gegen seine Mitschüler, gegen sich selbst.
Jim Thompson gilt als Krimiautor, und „Blind vor Wut“ verspricht immer wieder, eine Krimihandlung aufzubauen. Aber dazu kommt es nie. Schmerz und Hass sind Ursprung und Wirkung der Handlung, die in ihren einzelnen Verwicklungen nie aufgelöst oder zu Ende erzählt wird.
Der nun von Heyne neu herausgegebene Roman von 1972 ist keine stringente Erzählung, so enthält er die Novelle „Ein Pferd in der Babywanne“, vielleicht ein Gegenentwurf zum Haupttext „Blind vor Wut“. Ob die eingefügte Novelle im Handlungsverlauf einen literarischen Mehrwert bietet, ist schwer zu sagen; Lesern, die alles von und über Jim Thompson lesen wollen, sicherlich.
Es ist unmöglich zu sagen, man habe das Buch gern gelesen, denn die Gewaltdarstellungen und die Zeichnung der Figuren in ihrer Hoffnungslosigkeit und Brutalität liefern kein Lesevergnügen. Aber ohne Abstriche ist zu sagen: Gewalt und Literatur, Symbolik und Psychologie sind hier so eng verwoben, dass, wer ein paar Seiten mutig gelesen hat, nicht von dem Buch lassen können wird.
Jim Thompson: Blind vor Wut.
Heyne, November 2012.
368 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.