Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
Cassie Alexander: Night Shifted 03: Diagnose zur Dämmerung
Edie Spences Leben ist, nun nennen wir es einmal, interessant und wahrlich nicht ganz einfach. Als Krankenschwester verdient man keine Reichtümer, bekommt viel zu wenig Schlaf und soziale Kontakte oder ein Privatleben reduzieren sich auf ein Minimum. Wenn man dann noch, wie Edie früher, auf der Intensivstation für die Behandlung übernatürlicher Wesen arbeitet, dann hat man salopp ausgedrückt, die Arschkarte gezogen. Gestaltwandler und Vampire hatten sich auf ihre Fersen geheftet, sie verfolgt, angegriffen und verletzt. Ihre Love-Story mit einem Zombie ging auch in die Brüche und, nachdem sie alle Vorräte mit übernatürlichem Blut im Krankenhaus vernichtet hat, konnte sie froh sein, dass man sie nur geächtet und gefeuert hat. Seitdem hat sie weder zum Krankenhaus noch zu den Vampire irgendeinen Kontakt.
Als sie erfährt, dass ihre Mutter inoperativ an Krebs erkrankt ist, gerät sie, was wahrlich nicht oft der Fall ist, in Panik. Einzig Vampirblut könnte ihre todkranke Mutter retten, doch woher nehmen, wenn man geächtet ist? Sie greift nach Strohhalmen, und tritt eine neue Stelle in einem Klinik mitten im Elendsviertel der Hispaniolas an. Hier trifft sie nicht nur auf Gangs, die einander bekämpfen, auf Menschen, die elendig ausgenutzt werden sondern auch auf einen Arzt, der eine Vampirin mit Blut versorgt – und auf Hinweise auf Santa Muerte, die Göttin der Toten…
Cassie Alexanders Urban-Fantasy Serie um die toughe Krankenschwester Edie Spence vereint die üblichen Bestandteile entsprechender Serien zwischen den Buchdeckeln. Es gibt die bekannten übernatürlichen Rassen, die erfreulicherweise nicht verklärt und weichgespült dargestellt werden, sondern als egoistische Bestien porträtiert werden, jede Menge Action und ein ganz klein wenig Romantik. Die ersten beiden Bände zogen ihre Faszination dabei weitestgehend aus der Ich-Erzählerin, die mit ihrer zupackenden und aufopfernden Art die Herzen der Leser im Sturm eroberte. Dennoch schien sich die Geschichte ein wenig festgelaufen zu haben. Hier bewies Alexander dann den Mut, ihre Protagonistin in ein neues, frisches Umfeld zu setzen, alte Zöpfe, vorliegend die Station Y4 für übernatürliche Patienten, abzuschneiden, und ihren Plot auf neue Beine zu stellen. Und das tut der Reihe sichtlich sehr gut. Hinzu kommt, dass es die Autorin versteht, ohne falsches Mitgefühl oder zu sehr in Klischees zu verfallen, das Not und das Elend der spanischsprechenden Minderheit in den USA aufzugreifen. Sie, die immer wieder ausgegrenzt und ausgebeutet werden leben am unteren Ende der sozialen Leiter, noch unter den Schwarzen. Dass sich hier dann Banden bilden, die eisern geführt mit Drohungen und Gewalt ihr Revier beherrschen dient als, auch in Details faszinierende Kulisse des vorlegenden Romans. Dabei geht die Autorin nicht nur auf die Armut der Bewohner ein, auch deren Gläubigkeit und die Hinwendung zu Wunderheilern und Spiritisten wird thematisiert. Das wirkt, auch weil Alexander sich nicht scheut, den Schmutz und die Verelendung aufzuzeigen überzeugend und aufrüttelnd, liest sich flüssig und temporeich und erweist sich als bislang bester Roman der kleinen Reihe.
Cassie Alexander: Night Shifted 03: Diagnose zur Dämmerung .
Piper, Dezember 2012.
352 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
