Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
Ursula Poznanski: Die Verratenen, gelesen von Julia Nachtmann
In letzter Zeit hatte ich des Öfteren Hörbücher, die von Julia Nachtmann gesprochen wurden, aber ich staune immer wieder, wie sehr es ihr gelingt, dem Point of View Profil zu geben. In diesem Fall handelt es sich um Ria, eine der Besten ihrer Klasse, eine Auserwählte, vor der eine glänzende Zukunft liegt. Es gibt nicht mehr viele Auserwählte - Priviligierte - in dieser dystopischen Welt. Sie leben in gläsernen Kuppeln, da die Außenwelt karg und grausam geworden ist. Ihr Leben ist vorherbestimmt nahezu vom Augenblick ihrer Geburt an. Ria wird dazu ausgebildet, Gespräche zu führen, Überzeugungen zu leisten, die Gedanken ihres Gegenübers aus seinen winzigen Körperreaktionen und dem was sie über ihn weiß abzulesen. Und sie ist wirklich gut darin.
Eines Tages belauscht sie ein Gespräch ihres Mentors darüber, dass sie und einige andere Schüler als Verräter gelten und getötet werden sollen. Weder Ria noch einer der anderen hat auch nur eine Ahnung, was er falsch gemacht haben könnte. Während eines Transportes entkommen sie gemeinsam, aber ihnen bleibt nur die Welt außerhalb der Kuppeln. Auch hier leben Menschen, aber es ist ein schwieriges Leben, in einer sehr kalten Welt, in der nur noch wenig wächst. Innerhalb der Kuppeln hat man ihnen immer wieder gepredigt, die Menschen könnten jederzeit zu den Kuppeln kommen oder Hilfe von der höher entwickelten Wissenschaft bekommen, sie wollten es nur nicht.
In direktem Kontakt lernen die Flüchtlinge, dass nicht alles wahr ist, was man ihnen beigebracht hat. Sie müssen lernen, sich auf ihre Instinkte zu verlassen, auf ihre Men-schenkenntnis und auf das, was sie in der Lage sind noch zu lernen. Risa weiß ihre Fähigkeit auch außerhalb der Sphäre zu benutzen, genau wie ihre Begleiter. So kommen sie gemeinsam in ein Dorf draußen und müssen mit den Einwohnern zurechtkommen. Diese wissen und verstehen sehr viel mehr, als die Privilegierten erwartet hätten. Und es ist nach ihrer Schilderung auch nicht so, dass die Sphären sie mit Freuden aufnehmen würden, wenn sie nur wollten. Kann man die Schüler wirklich derart belogen haben? Das würde alles zerstören, für das sie gearbeitet und an das sie geglaubt haben.
Die Vorstellung von Privilegierten und Unterprivilegierten ist in Dystopien bestimmt nicht neu. Auch der Gedanke aus der Gruppe der Privilegierten einen Teil auszustoßen und in die raue Wirklichkeit zu schubsen ist hier nicht zum ersten Mal beschrieben worden. Trotzdem lohnt es sich, das Hörbuch zu hören, denn es weist durchaus noch eigene Ideen auf. So gilt das absolute Streben der Sphärenbewohner der Perfektion. Das ist so nah an mancher heutiger Realität dran, dass es Angst machen kann. Es stellt sich die Frage, was passiert ist, dass eine solche Denkweise von Perfektion auf so eine doch relativ breite Bevölkerungsschicht übertragen hat.
"Die Verratenen" ist der Auftakt zu einer Trilogie und macht wirklich Lust auf den zwei-ten Teil. Zwar ist der Band abgeschlossen genug, um keinen echten Cliffhanger aufzuweisen, aber es gibt einige Möglichkeiten, wie es weitergehen kann und ich bin wirklich gespannt darauf.
Ursula Poznanski: Die Verratenen, gelesen von Julia Nachtmann.
Jumbo Neue Medien, Oktober 2012.
5 CDs, 19,99 Euro.
