Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
Die „Ur-Pippi“ ist in der Schreibtisch-Schublade verschwunden und nun zum 100. Geburtstag der Autorin erstmals erschienen. – Begleitet von einem 50-seitigen Kommentar der Lindgren-Forscherin Ulla Lundqvist und einem Vorwort von Astrid Lindgrens Tochter Karin, die das Buch 1944 zum 10. Geburtstag erhielt.
Wer Pippi (das schwedische Wort für verrückt) als freche Göre kennt, staunt beim Lesen: Die Ur-Pippi ist noch frecher und radikaler, zieht einen Mann an der Nase durchs Dorf und nennt Tommy und Annika hochnäsig die „kleinen, karierten Kinder“, weil sie immer kleinkarierte Baumwoll-Kleidchen und -Hemden tragen. Vieles hat Lidgren in der neuen Fassung abgemildert, aus dem Rotschopf ein warmherzigeres Mädchen gemacht, das auch mal traurig sein darf. Am Stil hat die Schwedin gefeilt und mehr Tempo ins Buch gebracht.
40 Prozent des Textes habe Lindgren geändert, rechnet Lundqvist vor. Manche Szenen hat sie dazugeschrieben wie die Sachensucher-Geschichte, viele flotte Sprüche und Spottlieder sind dem Radiergummi zum Opfer gefallen. Ganz umgeschrieben hat Lindgren die Geschichte, in der die beiden Polizisten das Mädchen abholen und ins Kinderheim stecken wollen. In der Ur-Pippi kommen statt dessen Fräulein Blomkvist und Onkel Lundin. Aus Fräulein Blomkvist wurde 1969 im Film Fräulein Prusseliese.
Ein Ur-Knall in der Literaturgeschichte ist das Buch nicht, aber für Lindgren-Fans so interessant wie der Urfaust für Goethe-Freunde.
Astrid Lindgren: Ur-Pippi.
Oetinger-Verlag, August 2007.
168 Seiten, Hardcover, 14,90 Euro.