Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespĂŒrt.
Wenn man von den zwei Seiten einer Medaille spricht, denkt der eine oft an das Gute und der andere an das Schlechte, das einem passiert.
Bei Vicki Baum hat die Medaille mindestens drei Seiten.
â ... Worte sagen immer das Falsche, das, was nicht wahr ist. Man maskiert sich mit Worten - dahinter liegt das Wirkliche.â
Das Wirkliche wird in dem Roman âRendezvous in Parisâ aus der Perspektive von zwei MĂ€nnern und einer Frau gezeigt, deren Leben von Dienstag bis Samstag miteinander verbunden ist. Der Landgerichtsrat Kurt Droste zum Beispiel will in dieser Zeit unbedingt die Wahrheit zu einem Todesfall herausfinden. Nichts sei schlimmer, als einen Unschuldigen zu verurteilen, findet der Wahrheitsfanatiker Droste. WĂ€hrend in seinem aktuellen Fall alles verkehrt lĂ€uft, verliebt sich seine todkranke Frau Evelyn in den Amerikaner Frank, der auf seinen GeschĂ€ftsreisen durch Europa immer fĂŒr eine schnelle Affaire zu haben ist. Doch der heimliche Seitensprung entwickelt sich anders, als die beiden Liebenden planen. Die Erkenntnis, die wahre Liebe des Lebens gefunden zu haben, ist jedoch nur von kurzer Dauer. Die Hektik durch eine enge Terminplanung, die vergessene Bezahlung einer Gasrechnung und ein bekanntes Gesicht zur falschen Zeit am falschen Ort trĂŒben die Zweisamkeit der Liebenden. Und am Ende schlieĂt sich der Kreis. Jeder bekommt letztendlich das, was er sich wĂŒnscht. Unerwartetes GlĂŒck, Erfolg in einem scheinbar aussichtslosen Fall oder eine plötzliche Wendung, die viel mehr schmerzt als eine Geburt.
Vicki Baum, geboren 1888 in Wien, gestorben 1960 in Hollywood, veröffentlichte 1935 den Roman âRendezvous in Parisâ. Zu ihrer Zeit war sie aufgrund ihrer zahlreichen Romane und deren Verfilmungen sehr erfolgreich. 16 ihrer Romane wurden verfilmt. In den Augen ihrer Kritiker schienen Erfolg und sogenannte âernsteâ Literatur nicht zusammenzupassen. Aus heutiger Sicht relativiert sich vieles. Mit groĂer Kunstfertigkeit schreibt Vicki Baum das tĂ€gliche Geschehen aus drei verschiedenen Perspektiven und zeigt damit, wie unterschiedlich mĂ€nnliche und weibliche Wahrnehmung sein kann. Der Leser wird nicht nur sehr gut unterhalten, sondern auch lebendig und glaubwĂŒrdig in das Leben dreier Personen versetzt. Automatisch lĂ€uft im Kopf ein Film ab, der es ermöglicht, anderen beim Leben zuzuschauen und natĂŒrlich auch mitzuleiden.
An einer Stelle lĂ€sst Vicki Baum Evelyn und ihre Freundin Marianne ĂŒber Amerikaner fachsimpeln: âMassenware in hĂŒbscher Verpackungâ werden die MĂ€nner genannt. Bei dieser Wortwahl blitzt gelebte Emanzipation hervor. In ihrer Autobiografie âEs war alles ganz andersâ schreibt sie an einer Stelle, wie wichtig es sei, eigenes Geld zu verdienen und damit ein selbstbestimmtes Leben auch als Ehefrau und Mutter zu fĂŒhren. Dass sie in den goldenen zwanziger Jahren in Berlin zu ihrer Entspannung geboxt hat, zeigt mehr als Worte beschreiben können.
Vicki Baum: Rendezvous in Paris (1935).
Edition Ebersbach, Dezember 2012.
339 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.