Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
Joël Dicker: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
Es ist der Aufmacher jeder Nachrichtensendung. Im Garten des hochangesehenen Schriftstellers Harry Quebert wurde eine Leiche entdeckt. Und in einer Ledertasche direkt daneben: das Originalmanuskript des Romans, mit dem er berühmt wurde. Als sich herausstellt, dass es sich bei der Leiche um die sterblichen Überreste der vor 33 Jahren verschollenen Nola handelt und Quebert auch noch zugibt, ein Verhältnis mit ihr gehabt zu haben, ist der Skandal perfekt. Quebert wird verhaftet und des Mordes angeklagt. Der einzige, der noch zu ihm hält, ist sein ehemaliger Schüler und Freund Marcus Goldman, inzwischen selbst ein erfolgreicher Schriftsteller. Überzeugt von der Unschuld seines Mentors - und auf der Suche nach einer Inspiration für seinen nächsten Roman - fährt Goldman nach Aurora und beginnt auf eigene Faust im Fall Nola zu ermitteln ...
„Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ ist große Erzählkunst. Wie bei einer Matroschka deckt man immer weitere Schichten auf: Dieses Buch ist nicht nur ein fesselnder Kleinstadt-Krimi (geschickt werden wir vom Autor fintenreich auf verschiedene (falsche) Spuren geschickt, um schließlich mit einem Aha-Erlebnis zum wahren Täter geführt zu werden), sondern auch eine köstliche Satire auf den Literaturbetrieb. Und nebenbei hält Dicker der Gesellschaft noch einen Spiegel vor, beschreibt die (amerikanische) Doppelmoral und portraitiert das provinzielle Leben einer Kleinstadt. Besonders amüsant fand ich dabei die Telefonate mit Goldmans Mutter sowie die Dialoge zwischen Tamara Quinn und ihrem Ehemann Robert. Die 736 Seiten vergehen da nahezu wie im Flug. Sehr zu empfehlen für lange Herbstabende!
Was lediglich enttäuschte – und irritierte -, waren die überaus schlecht geschriebenen Passagen aus den fiktiven Romanen von Quebert und Goldman. Diese können vom Niveau her in keiner Weise mit dem restlichen Roman mithalten. Handelt es sich hierbei um pure Nachlässig- bzw. Lieblosigkeit auf Seiten des Autors bzw. Lektors? Wäre der übrige Roman in diesem Stil verfasst, ich hätte ihn sicher nach wenigen Seiten zur Seite gelegt.