Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
Im Jahr 929 wird Brandenburg noch von den Slawen bewohnt und regiert. Einer von ihnen ist Prinz Tugomir, als zweitgeborener Sohn des Fürsten ist es ihm bestimmt, Priester zu werden. Nein, nicht Priester der christlichen Kirche, die ist in Brandenburg noch nicht angekommen, sondern ein Priester des alten Götterglaubens. Rebecca Gable entführt uns mitten in die Zeit der Christianisierung des Ostens. Europa teilte sich noch in Christianitas und Heidengebiet, wie es sich vorher in Römer und Barbaren geteilt hatte und davor in Griechen und Barbaren. Wie vor ihnen die Römer sind sich auch die Christen sicher, dass für die eroberten Völker das Leben sehr viel besser würde, wenn sie sich erst der Lebensweise der Eroberer angepasst hätten. Und wie einst die Germanen, die Briten, die Gallier liegt es in der Natur der Sache, dass die Eroberten das völlig anders sehen.
Prinz Tugomir gerät nach der Eroberung der Brandenburg als Geisel an den Hof Heinrich I. und dessen Sohn Otto. Trotz des ihn umgebenden christlichen Einflusses bewahrt er sich seinen alten Glauben. Zu seiner Ausbildung als Priester gehörten auch Einführungen in die Heilkunst und damit schafft er es, sich eine gewisse Anerkennung zu verschaffen. Dabei ist das das Letzte, was er möchte. Aber wie er selbst resümiert: Er war Prinz, aber das wurde ihm durch die Eroberung der Brandenburg genommen, er war Krieger, aber diese Möglichkeit ist ihm als Geisel genommen, er war Priester, aber das darf er am sächsischen Hof ebenfalls nicht sein. Alles was ihm bleibt, ist es ein Heiler zu sein. Sind keine Slawen in Not, bleibt ihm nichts anderes, als die Sachsen zu heilen, wenn auch eher widerwillig. Damit gelingt es ihm durch all die Jahre der Gefangenschaft, seine Identität zu bewahren. Es ist eine Gefangenschaft, die ihn ständig in zwei Welten leben lässt, in keiner von beiden ist er wirklich zu Hause. Aber dadurch kann es ihm möglicherweise gelingen, diese beiden Welten eines Tages miteinander zu versöhnen.
Nachdem Rebecca Gable mir in vielen Büchern schon das englische Mittelalter nahegebracht hat, legt sie hier ihren ersten Roman über die Geschichte des europäischen Festlandes vor. Ich hoffe, es bleibt nicht ihr letzter, denn es wird noch viele gute Romane brauchen, um den Staub aus meinem Hirn zu pusten, der sich auf die Gehirnzellen mit der Aufschrift "Deutsches Mittelalter" gelegt hat. Nach Richard Dübells "Paladin" ist das jetzt der zweite Roman, dem es gelingt die seltsame gräuliche Färbung von diesem Thema zu nehmen.
Fazit: Auch wer Romane über deutsche Mittelaltergeschichte schon aufgegeben hat, sollte hier unbedingt zugrefen. "Das Haupt der Welt" ist gaaaaaaaanz anders.