Brief um Briefe schreibt die Heldin von Martina Borgers Roman „Lieber Luca“. Und alle Briefe sind für eine rote Keksdose in der untersten Schreibtischschublade bestimmt; abgeschickt werden die Erinnerungen an eine große Liebe nie.
Ganz allmählich erfahren die Leser, dass diese Briefe von Simone nicht für einen Geliebten, sondern für den Sohn, den „lieben Luca“, bestimmt sind. Die Vergangenheit mit dessen Vaters und andere Eiszeiten in der Liebe arbeitet die Schreiberin auf. – Gefühlvoll, sehr warm, rührend. In den Briefen beschwört sie die Vergangenheit herauf, die glücklichen Zeiten mit der großen Liebe Gianni, dem Italiener, der ihr später die Liebe und den Sohn nahm, weil Simone auch mit der Mutterliebe gebrochen hat.
Dieser Briefroman ist auch der Versuch, eine Liebe und ihr Scheitern psychologisch zu analysieren, zu sezieren, welche Faktoren eine Beziehung zerstören können, die Tragik von Eigensinn, Unversöhnlichkeit und Härte, die Beziehungen tötet, aufzuzeichnen. Zarte Anklagen lugen aus den Briefen, auch Rechtfertigungen, beschwörende, flehende Bitten und ein immer größer werdender Schmerz einer einsamen Frau.
Die Beziehung zwischen einem einst glücklichen Paar arbeitet der Roman mit den Puzzlestückchen in den Briefen kunstvoll und in einer sehr schönen, ruhigen, gefühlsbetonten Sprache auf. Trotz der Aneinanderreihung von Briefen, verliert der Roman nie an Erzählfluss und Spannung – und schließlich befriedigt diese Familiengeschichte auch die Neugier der Leser, in verbotenen, für einen anderen bestimmten Liebesbriefen zu lesen. Und die emotionalen Zeilen sind auch der Beginn einer neuen Liebe zwischen Mutter und Sohn, die sich verloren haben in den Gefühlswellen dieser Ehe. – Ein kleines Buch voller großer Gefühle.
Martina Borger: Lieber Luca.
Diogenes, September 2007.
208 Seiten, Hardcover, 19,90 Euro.